Prozess:Millionenbetrug mit Finanzplattformen: Haftstrafen

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Angeklagte sitzen in einem Prozess wegen Millionenbetrugs auf der Anklagebank im Landgericht Göttingen. (Foto: Maurice Arndt/dpa)

Über eine betrügerische Finanzplattform sollen sie mehrere Millionen Dollar und Euro erbeutet haben. Vier Männer standen in Göttingen vor Gericht. Nun wurden die Urteile gesprochen.

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Göttingen (dpa/lni) - Unter anderem von Israel, Bulgarien und Rumänien aus brachten sie viele Menschen in Deutschland um Geld: Wegen Millionenbetrugs mit vermeintlichen Finanzplattformen sind vier Männer in Göttingen zu Haftstrafen verurteilt worden. Das Landgericht sprach die 30- bis 52-Jährigen am Mittwoch des gemeinschaftlichen Bandenbetruges oder der Beihilfe schuldig und verhängte mehrjährige Haftstrafen, von denen eine zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Kammer blieb mit ihrem Urteil teilweise deutlich unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft, jedoch auch über den Anträgen der Verteidigung. Das Urteil bezieht sich nur auf Straftaten, bei denen die Opfer in Deutschland leben. Es ist noch nicht rechtskräftig.

Die vier Männer waren an betrügerischen Onlineplattformen wie „fx-leader.com“, „invcenter.com“, „interactive-trading.com“ und „qteck.io“ beteiligt. Allein in Deutschland wurden darüber mehr als 21 Millionen Euro erbeutet, wie der Vorsitzende Richter sagte. Weltweit soll der Schaden laut Anklage mehr als 80 Millionen US-Dollar betragen. In Göttingen wurde nur über die 21 Millionen Euro verhandelt. Weitere Anklagen in anderen Ländern sind laut dem Vorsitzenden Richter denkbar.

Opfer mit fingierten Kursgrafiken getäuscht

Das kriminelle Netzwerk täuschte Opfern über Call-Center-Telefonate und Webseiten mit fingierten Kursgrafiken vor, dass sie Geld unter anderem in Kryptowährungen oder Gold anlegen. Tatsächlich flossen die vermeintlichen Investitionen nach Auffassung des Gerichts in die Taschen von Hinterleuten. Es sei unklar, wer letztlich Geld erhalten habe und wie viel, sagte der Vorsitzende Richter. Er sprach mit Blick auf das Vorgehen der Täter von hochprofessionellen und konzernartigen Strukturen. Gegen vier weitere Verdächtige wird in dem Zusammenhang noch ermittelt.

Im Einzelnen verurteilte das Gericht einen 37-Jährigen, der die Server für die Plattformen anmietete, zu fünf Jahren Haft und einen 40-Jährigen, der ein Callcenter im bulgarischen Sofia leitete, zu drei Jahren und sechs Monaten Haft. Einen 52-Jährigen verurteilte die Kammer wegen Beihilfe zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Er soll in 17 Fällen Konten vermittelt haben, auf die die vermeintlichen Investitionen flossen. Ein 30-Jähriger erhielt wegen sechs Betrugstaten eine zur Bewährung ausgesetzt Haftstrafe in Höhe von einem Jahr und neun Monaten. Er soll in einem Callcenter gearbeitet und Kontakt zu den Opfern gehabt haben. Später sei er Teamleiter in einem Callcenter gewesen. Die Geständnisse und Teilgeständnisse der Täter seien berücksichtigt worden, sagte der Vorsitzende Richter.

Staatsanwaltschaft forderte höhere Strafen

Die Staatsanwaltschat hatte für die drei ältesten Angeklagten jeweils sieben Jahre und sechs Monate, acht Jahre und fünf Jahre Haft gefordert. Die Verteidiger forderten vier Jahre und sechs Monate, drei Jahre und zwei Jahre Haft. Im Fall des 30-Jährigen hatten sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf einen Strafrahmen zwischen einem Jahr und sechs Monaten sowie zwei Jahren Haft jeweils auf Bewährung geeinigt.

Zusätzlich zu den Haftstrafen soll von den vier Tätern Geld eingezogen werden, teils mehreren Hunderttausend Euro. Der 37-Jährige wurde zudem dazu verurteilt, mehr als zwei Millionen Euro an Nebenkläger zu zahlen. An etwa 130.000 Euro davon muss sich auch der 52-Jährige beteiligen.

Täter geloben Besserung in Schlussworten

Der 40-Jährige, der 52-Jährige und der 30-Jährige gaben in ihren Schlussworten an, dass ihnen die Taten leidtäten und sie diese nicht wiederholen würden. „Ich bin schuldig“, sagte etwa der 52-Jährige. Der 40-Jährige sagte, dass er alles bereue. Er vermisse seine Zwillinge - also seine Kinder - und wolle sie zu rechtschaffenden Menschen erziehen. Der 40-Jährige und der 30-Jährige beglichen zudem nach Angaben ihrer Verteidiger die durch sie entstandenen Schäden außergerichtlich.

Alle Verteidiger und die Verteidigerin machten in ihren Plädoyers zudem deutlich, dass ihren aus dem Ausland stammenden Mandanten die Haftbedingungen besonders zu schaffen machten, weil es Sprachbarrieren und Schwierigkeiten bei der Ausübung ihrer Religion gebe.

Kritik an Staatsanwaltschaft

Mehrere Verteidiger kritisierten zudem die Staatsanwaltschaft, keine stichhaltigen Beweise vorgebracht zu haben und nicht zwischen Täterschaft und Beihilfe zu unterscheiden. Der Staatsanwalt wies die Vorwürfe zurück. Auch der Vorsitzende Richter kritisierte unter anderem, dass die Ermittlungsbehörde sich teilweise auf nicht in den Prozess eingeführte Beweismittel berufen habe. Zudem sei es im Nachhinein vermutlich besser gewesen, die Anklage später zu erheben, um bis zum Prozessauftakt einen besseren Ermittlungsstand zu haben. Eine Verlängerung der Untersuchungshaft wäre in diesem Fall angebracht gewesen.

Das Verfahren war für das Landgericht mit einem größeren Aufwand verbunden. Zur Verständigung wurden drei Dolmetscher-Kabinen für sechs Übersetzer sowie eine neue Mikrofon-Technik in dem Gerichtssaal installiert. Der Prozess wurde für die Täter durchgehend und in Echtzeit ins Englische, Bulgarische und Hebräische übersetzt.

© dpa-infocom, dpa:240228-99-156879/3

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