Prozesse:Witwe klagt nach tödlichem Einsatz in Flüchtlingsunterkunft

Lesezeit: 1 min

Prozessakten in einem Gerichtssaal. (Foto: Holger Hollemann/dpa/Symbolbild)

Ein Mann vergreift sich in Berlin an einem Flüchtlingsmädchen. Weil der Vater des Kindes deshalb auf ihn losgeht, kommt es zum Polizeieinsatz - mit fatalem Ende. Jahre später kommt es zum Prozess.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa/bb) - Rund siebeneinhalb Jahre nach einem tödlichen Polizeieinsatz in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Moabit kommt es zum Prozess gegen das Land Berlin. Die Witwe des damals getöteten Familienvaters fordert Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen entgangener Unterhaltszahlungen für ihre drei Kinder. An diesem Mittwoch (10. April) beginnt der Zivilprozess vor dem Landgericht Berlin, wie eine Gerichtssprecherin am Freitag auf Anfrage mitteilte. In der mündlichen Verhandlung sollen Zeugen gehört werden. Ein weiterer Prozesstag ist demnach am 17. April geplant. „Mit dem Amtshaftungsverfahren haben wir endlich die Gelegenheit, Zeugen hören zu können“, sagte die Anwältin der Witwe, Beate Böhler, der Deutschen Presse-Agentur.

Nach Polizeischüssen gestorben

Hintergrund des Verfahrens ist ein Polizeieinsatz am 27. September 2016 in der Gemeinschaftsunterkunft in Moabit. Ein Mitbewohner hatte die sechsjährige Tochter eines 29-Jährigen missbraucht. Die Polizei wurde gerufen. Als der Täter bereits im Polizeiwagen saß, stürzte sich der Familienvater auf ihn - mit einem Messer, wie es später hieß. Mehrere Polizisten zogen daraufhin ihre Waffe und schossen auf den Angreifer. Der 29-Jährige starb wenig später in einem Krankenhaus.

Der Asylbewerber war damals erst seit einigen Monaten mit seiner Frau und den drei Kindern in Deutschland. Wenige Monate später kam es zum Prozess gegen den Mann, dessen Handeln den Einsatz ausgelöst hatte. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den damals 27-Jährigen im September 2017 wegen sexuellen Missbrauchs zu einem Jahr und acht Monaten Haft auf Bewährung.

Verfahren gegen Polizisten eingestellt

Ermittlungen zum Tod des Familienvaters gegen beteiligte Polizisten wurden nach Angaben der Beratungsstelle Reachout 2017 von der Berliner Staatsanwaltschaft eingestellt mit dem Verweis auf Notwehr und Nothilfe. Diese Entscheidung sei von der Generalstaatsanwaltschaft bestätigt worden. Die Witwe des Mannes gab jedoch nicht auf, wie ihre Anwältin erklärte. Bis heute kämpft sie vor Berliner Gerichten darum, dass der Fall auch strafrechtlich beleuchtet wird.

Unterstützung erfährt sie dabei von Reachout, wie eine Sprecherin der Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt erklärte. Durch das Zivilverfahren erhoffen sich die Beteiligten weitere Erkenntnisse. Nach Angaben von Anwältin Böhler hat das Gericht allein sechs Polizisten als Zeugen geladen.

© dpa-infocom, dpa:240405-99-575010/3

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: