Treffen in Italien:Der Soldat und die Kinder im Korb

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Martin Adler mit Mafalda und Giuliana Naldi, zwei der "Kinder" von damals. (Foto: Antonio Calanni/AP)

Im Zweiten Weltkrieg hätte der US-Amerikaner Martin Adler beinahe drei Geschwister erschossen. Nun gibt es ein Wiedersehen, nach 77 Jahren.

Von Elisa Britzelmeier

Ein Wort hielt Martin Adler davon ab zu schießen. Damals, im Zweiten Weltkrieg, Oktober 1944, war er mit einem Kameraden der US Army, 339. Infanterieregiment, nahe Bologna im Einsatz. Auf der Suche nach Deutschen, die sich versteckten. In einem Haus im Ort Monterenzio entdeckten sie einen großen verschlossenen Korb. Er bewegte sich. Geräusche waren zu hören. Und dann, als sie kurz davor waren, loszufeuern, kam eine Frau angerannt und rief dieses eine Wort: Bambini.

So erzählt Martin Adlers Tochter Rachelle Adler Donley seine Geschichte auf Facebook. Es gibt ein Bild von diesem Tag, Adler mit den drei Bambini, der Soldat in Uniform, die Kinder in ihren Sonntagskleidern, er strahlt erleichtert.

Martin Adler mit Bruno, Mafalda und Giuliana Naldi (von links nach rechts) im Herbst 1944. (Foto: Matteo Incerti/AFP)

Im Dezember hatte Rachelle Adler Donley das Foto auf Facebook gepostet - und so "dank der Magie der sozialen Medien", wie sie schreibt, die "Kinder" von damals gefunden. Bruno, Mafalda und Giuliana Naldi, längst in ihren Achtzigern und Großeltern wie Adler selbst, leben nach wie vor in der Nähe von Bologna. Nun hat Martin Adler, inzwischen 97, sie wiedergesehen. Nach 77 Jahren.

Er ist zurückgekehrt nach Italien, endlich im Frieden statt im Krieg. Es sei sein großer Traum, "diese drei Kinder, die wir damals gefunden haben, zu umarmen", sagte Adler in Videobotschaften vorab. Seine Tochter hatte Spenden für die Reise von Miami nach Bologna gesammelt, Adler sitzt im Rollstuhl und ist ebenso wie seine mitreisende Frau auf medizinische Unterstützung angewiesen. Am Flughafen warteten dann Reporterinnen und Kamerateams auf ihn. Und die drei Naldi-Geschwister. Auf Bildern ist zu sehen, wie alle vier sich in die Arme fallen. "Ich habe Gänsehaut", schreibt seine Tochter dazu. Auf SZ-Anfrage antwortet sie, dass sie überwältigt sei - und dass sie gerade von Medienanfragen überrollt würden.

Als sie das Foto im Dezember online stellte, schreibt Adler Donley in einem anderen Post, habe sie nur gewusst, dass es irgendwo in Italien aufgenommen worden war, 1944 oder 1945, kein Ort, keine Namen. Der Soldat, der ihren Vater damals begleitete, war längst tot. Der italienische Journalist Matteo Incerti wurde auf ihren Post aufmerksam, verbreitete ihn weiter, so landete die Geschichte in italienischen Medien und auch im Fernsehen. Bis die drei Naldis sich wiedererkannten. Incerti, der über Adler inzwischen ein Buch geschrieben hat, erzählte im italienischen Fernsehen nun von weiteren Aufnahmen aus Adlers Einsatz in Italien. Martin Adler habe seine Kamera damals als "psychologisches Gegenmittel" verwendet, um mit den Belastungen des Krieges klarzukommen. Er sei "in der Seele verletzt" gewesen.

Nach dem Krieg, so berichtet das auch seine Tochter, setzte Adler sich für andere Veteranen und für das Thema psychische Gesundheit ein und wurde schließlich der Direktor des Helen Keller National Center, einer Non-Profit-Organisation für taubblinde Menschen. Nun ist er zurück in Italien, in mehreren Orten rund um Bologna treten Adler und die Naldi-Geschwister zusammen auf. Danach will Adler an weitere Orte reisen, die er im Krieg gesehen hatte, Neapel etwa, die Toskana. Und nach Rom soll es gehen, ein Treffen mit der Bürgermeisterin ist geplant. Am liebsten, heißt es in italienischen Medien, würde Adler auch den Papst treffen. Der dürfte immerhin seine Botschaft teilen: Frieden ist schön. Oder wie Martin Adler in einem Video sagt: "Peace is bella, molto bella."

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