In Kanada sind auf dem Gelände eines früheren Internats für indigene Kinder erneut zahlreiche unmarkierte Gräber entdeckt worden. Seit Ende Mai stoßen Forscher mittels Bodenradar immer wieder auf sterbliche Überreste von Kindern, insgesamt wurden mehr als 1000 Gräber entdeckt.
Der jüngste Fund ereignete sich auf dem ehemaligen Schulgelände auf der Penelakut-Insel westlich von Vancouver. Der Leiter der indigenen Gemeinschaft der Penelakut, Chief Joan Brown, teilte laut kanadischen Medien mit, dass die Forscher dort auf mehr als 160 Grabstellen stießen.
Überlebende berichten von Gewalt
Das Internat wurde von der katholischen Kirche geleitet, vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1975 waren dort Kinder indigener Mütter untergebracht. Es ist das vierte Heim mit einem derartigen Fund innerhalb weniger Wochen. An den sogenannten Residential Schools wurden die Mädchen und Jungen der First Nations - so die Bezeichnung für die indigenen Völker Kanadas - oft zwangsweise unterrichtet und sollten an die Gesellschaft und Kultur der europäischen Einwanderer angepasst werden.
"Es bricht mir das Herz", sagte Kanadas Premierminister Justin Trudeau Medienberichten zufolge nach Bekanntwerden des jüngsten Funds. "Wir können diejenigen, die umgekommen sind, nicht zurückbringen, aber wir können und werden die Wahrheit ans Licht bringen und weiterhin mit den indigenen Gemeinschaften zusammenarbeiten, um die Diskriminierung und strukturellen Rassismus zu bekämpfen."
Wann und woran die Kinder starben, ist nicht bekannt. Nach der Entdeckung eines Massengrabs im Juni hatten UN-Menschenrechtsexperten Aufklärung gefordert. In einer Stellungnahme forderten sie die kanadische Regierung und den Vatikan auf, umfassende Untersuchungen zu den Todesumständen der Kinder und zu etwaigen Verantwortlichen zu veranlassen.
Im 19. und 20. Jahrhundert waren Schätzungen zufolge mehr als 100 000 Kinder indigener Mütter in kanadischen Heimen untergebracht. Viele der landesweit mehr als 130 Einrichtungen wurden von katholischen Ordensgemeinschaften betrieben. Sie sollten die Kinder im Auftrag des Staates an die "christliche Zivilisation" heranführen. Oft durften sie ihre Muttersprache nicht sprechen und ihre Familien über Jahre hinweg nur selten sehen. Überlebende berichten, dass sie Gewalt und Erniedrigung ausgesetzt waren. Die kanadische Regierung hat zugegeben, dass körperliche und sexuelle Misshandlung verbreitet waren. Viele Kinder starben an Infektionskrankheiten.