Stilkritik Chucks:Kamala Harris auf den Spuren von Joschka Fischer

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Voll sportlich und betont leger: Kamala Harris in Milwaukee. (Foto: Morry Gash/dpa)

Die US-Vizepräsidentschaftskandidatin hat mit einem Auftritt in Chucks für Furore gesorgt. Wie bitte? Die Leinen-Turnschuhe sind doch echt schon lange im Mainstream angekommen.

Von Oliver Klasen

Man weiß nicht, ob Kamala Harris, die demokratische Kandidatin für das Amt der US-Vizepräsidentin, Joschka Fischer kennt. Selbst wenn, ist es unwahrscheinlich, dass sie jene Szene im Kopf hat, mit der Fischer 1985 Geschichte machte. Damals, im Landtag in Wiesbaden war das, da stellte sich dieser Fischer hin und schwor den Eid auf die hessische Verfassung in Turnschuhen. Die weißen, halbhohen Nike-Schnür-Sneaker hatte sich Fischer, der solcherart Provokationen zeitlebens gezielt einzusetzen wusste, am Vortrag extra gekauft. Heute stehen sie im Ledermuseum Offenbach. Jetzt hat Kamala Harris, ähnlich wie Fischer damals, ein Turnschuh-Statement gesetzt. Bei einem Termin in Milwaukee, wo sie Arbeiter und Anhänger traf, zeigte sie sich in marineblauen Chucks. Ganz Twitter war verzückt.

Statement in blau-weiß: Twitter feiert Kamala Harris wegen ihres Wahlkampf-Auftritts in Chucks. (Foto: Morry Gash/AP)

Der "Chuck Taylor All Star" von Converse, so der volle Name des Schuhs, schon 1917 erfunden und ursprünglich ein Basketball-Schuh, verbreitete sich in den 1990er-Jahren, befördert durch die Grunge-Bewegung, auch bis in die deutsche Provinz. "Was, 100 Mark und die haben nicht einmal ein Fußbett!", solcherart Sätze konnte man damals zum Beispiel von Müttern im Badischen hören, die ihren Töchtern nach monatelangem Flehen ein Paar gekauft hatten. Verziert wurde der Leinenstoff in jenen Zeiten gerne mit einem Peace-Zeichen, wer rebellischer war, kritzelte mit Edding ein Anarchie-A drauf. Außerdem waren die Chucks damals ein probates Mittel, um seine Zugehörigkeit zu den Skatern zu demonstrieren, auch wenn man selber nur halbgar einen Ollie hinbekam.

Sowas von Mainstream

Heute sind die Chucks nicht mehr Teil einer Jugendbewegung, sondern Mainstream. Moderatorinnen tragen sie genauso wie Verlagsgeschäftsführer und eben Politikerinnen.

Bei Kamala Harris korrespondierten die Chucks, die sie nach Aussage ihres Bruders bereits seit Jahren auf Terminen trägt, perfekt mit Blazer und Jeans in der gleichen Farbe. Und wenn Joe Biden im November gewinnt, dann ist Harris vielleicht nicht nur die erste Vizepräsidentin in der Geschichte der USA, sondern auch die erste Vizepräsidentin in Turnschuhen, und das ist dann doch etwas glamouröser als ein Turnschuhminister in Hessen.

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