Düsseldorf:Studie: Was hilft im Knast für ein straffreies Leben danach?

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Ein Justizvollzugsbeamter in einem Gefängnis. (Foto: Marius Becker/dpa)

Ein Großteil der entlassenen Strafgefangenen wird rückfällig - das nordrhein-westfälische Justizministerium will systematisch hinterfragen, was bei der...

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Ein Großteil der entlassenen Strafgefangenen wird rückfällig - das nordrhein-westfälische Justizministerium will systematisch hinterfragen, was bei der Resozialisierung schief läuft. Dazu werden mehr als 600 Angebote auf den Prüfstand gestellt, die in den 36 Justizvollzugsanstalten des Landes über 15 000 Gefangene auf ein straffreies Leben vorbereiten sollen. Die auf mehrere Jahre angelegte „Evaluation im Strafvollzug“ (EVALiS) sei nicht nur für NRW neu, sondern werde auch bundesweite Maßstäbe setzen, sagte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Am Mittwoch präsentierte er in Düsseldorf Einzelheiten.

RÜCKFALL-QUOTEN: In den vergangenen Jahren wurden insgesamt rund 65 Prozent der entlassenen Straftäter innerhalb von drei Jahren nach einer Jugendstrafe rückfällig. Ein knappes Drittel von ihnen landete wieder hinter Gittern, die Übrigen kamen mit einer Geld- oder Bewährungsstrafe davon. Bei den Erwachsenen lag die Rückfallquote bei etwa 45 Prozent. Unter ihnen kam gut jeder fünfte wieder ins Gefängnis. Die weitaus meisten Rückfälle passierten im ersten Jahr nach der Entlassung, berichtete der Leiter des Kriminologischen Dienstes der Justiz in NRW, Wolfgang Wirth.

STATISTIK: Die Zahlen sind 2016 nach einer bundesweiten Erhebung veröffentlicht worden. Die Quoten umfassen nicht speziell einschlägige Rückfälle, sondern die gesamte Palette neuerlicher Gesetzeskonflikte - etwa auch, wenn ein entlassener Mörder später eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen notorischen Schwarzfahrens absitzen muss. Jährliche Statistiken oder landesweite Zahlen gebe es nicht, erklärte Biesenbach. Wahrscheinlich sei das bislang „nicht so erwünscht“ gewesen, die Rückfallquoten genauer anzuschauen, mutmaßte er. Es werde Mut gebraucht, um die erforderlichen Konsequenzen daraus zu ziehen.

RESOZIALISIERUNG:Der Justizvollzug hat die gesetzliche Aufgabe, Gefangene auf ein straffreies Leben nach der Entlassung vorzubereiten. Dazu gibt es in NRW zahlreiche Angebote hinter Gittern: von schulischen Förderkursen und Berufsvorbereitungen über Sprach- und Integrationskurse, Hilfen bei Sucht und Schulden bis hin zu sozialem Training, Gewaltpräventionskursen, Therapien und speziellen Behandlungsprogrammen für Sexualstraftäter. „Es gibt einen deutlichen Schwerpunkt bei der Suchtbehandlung“, berichtete Biesenbach. Therapeutische und deliktorientierte Angebote seien auszubauen.

ARBEIT UND AUSBILDUNG: Eine Wirkungskontrolle der Ausbildungsangebote hinter Gittern habe bereits ergeben: „Die Vermittlungsquoten sind nach erfolgreicher beruflicher Qualifizierung im Strafvollzug besonders hoch.“ Dies gelte vor allem im Jugendstrafvollzug. Bei Gefangenen, die sowohl in der Entlassungsvorbereitung als auch in der Nachsorge Eingliederungshilfen erhielten, lägen die Vermittlungsquoten bei 70 Prozent.

HÄFTLINGE:Im vergangenen Jahr waren über 93 Prozent der Strafgefangenen im NRW-Justizvollzug männlich. Ein gutes Drittel sitzt wegen Gewalttaten ein. Einen großen Anteil haben mit 26,5 Prozent auch Diebstähle und Unterschlagungen.

VERÄNDERUNGEN:Die Resozialisierungsmaßnahmen müssen an eine veränderte Klientel hinter Gittern angepasst werden. Insgesamt sei der Anteil älterer Gefangener in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, während in der gewachsenen Gruppe ausländischer Insassen inzwischen mehr junge Straftäter seien, berichtete Wirth. Weiterhin gebe es „weniger Gefangene ohne strafrechtliche Vorgeschichte, mehr Gefangene mit vielen Vorstrafen - bis zu elf“. Dabei säßen weniger Gefangene wegen schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten ein.

KURZSTRAFE: Knapp die Hälfte aller Gefangenen verbüßt nur noch eine Kurzstrafe von bis zu zwölf Monaten. Insgesamt sei die Vollzugsdauer auf durchschnittlich 683 Tage bei den nicht lebenslangen Freiheitsstrafen gesunken. Dies erfordere neu zugeschnittene, passgenaue Angebote, betonte Biesenbach. Dazu gehöre eine verbesserte Diagnostik bei den Einweisungsverfahren: Welche Probleme hat der Strafgefangene? Spezialisierte Anstalten seien nicht geplant, da auch eine heimatnahe Unterbringung wegen der sozialen Bindungen hilfreich sei für die Resozialisierung.

ERGEBNISSE: Die zentrale Datenerhebung zu Erfolg und Misserfolg der Angebote habe gerade erst begonnen, sagte der Minister. Eine wissenschaftlich fundierte, aussagekräftige Rückfallanalyse könne voraussichtlich in drei bis fünf Jahren vorgelegt werden.

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