Verunglückter Junge in Spanien:Ein Schacht, den es nicht hätte geben dürfen

A crane removes steel tubes after failing to place them into the drilled well at the area where Julen, a Spanish two-year-old boy, fell into a deep well nine days ago when the family was taking a stroll through a private estate, in Totalan

Ein Kran bei den Bergungsarbeiten in Südspanien.

(Foto: REUTERS)
  • Der Schacht, in dem der zweijährige Julen seit dem 13. Januar stecken soll, ist das Resultat einer illegalen Bohrung.
  • In Südspanien herrscht Wasserknappheit, viele Bauern und Unternehmer graben deshalb ohne Genehmigung nach Wasser.

Von Marcel Grzanna, Totalán

Seit dem 13. Januar soll der zweijährige Julen im südspanischen Totalán in rund 75 Metern Tiefe in einem schmalen Schacht festsitzen. Am Dienstagnachmittag vermuteten die Rettungsteams, nur noch wenige Meter von dem Jungen entfernt zu sein. Mit Spitzhacken und Schaufeln sollte es weitergehen - immer getragen von der Hoffnung, das Kind doch noch lebend zu finden.

Der Schacht, in den der kleine Julen vor nunmehr zehn Tagen gefallen sein soll, hätte nie gebohrt werden dürfen. Das steht nun fest: Es habe keine gültige Lizenz für die Bohrung vorgelegen, schreibt die Tageszeitung El Mundo. Der Besitzer des Grundstücks und der Unternehmer, der das Loch gegraben hat, schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Was jetzt Empörung auslöst, ist in Spanien allerdings gängige Praxis. Felipe Fuentelsaz vom World Wildlife Fund (WWF) schätzt, dass allein in Andalusien etwa 10 000 dieser illegalen Löcher existieren. "Die Region hat wegen ihrer Lage ein riesiges Problem mit Wasserknappheit, gleichzeitig aber durch einen wachsenden Tourismussektor und die Umstellung auf eine ressourcenintensive Landwirtschaft einen steigenden Bedarf", sagt er.

Bauern und Unternehmer suchen illegal nach Wasserquellen

Einerseits verlangen mehr Urlaubsgäste und eine steigende Zahl an Golfplätzen eine entsprechende Versorgung, andererseits verdient die Region dringend benötigtes Geld am weltweiten Appetit auf Avocados, Mangos, Oliven oder Erdbeeren, die in der Region angebaut werden. Die Wasservorräte in Andalusien fallen wegen des hohen Verbrauchs regelmäßig auf gefährlich niedrige Pegel.

Städten wie Málaga oder Sevilla drohen besonders während der Sommermonate Regulierungen. Im Becken des Guadalquivir bei Sevilla etwa fehlen nach Angaben des WWF rund 500 Millionen Kubikmeter Wasser.

Um die Bewässerung von Feldern oder Anbaugebieten nicht reduzieren zu müssen und damit die eigene Existenz zu bewahren, suchen viele Bauern und Unternehmer illegal nach Wasserquellen. So soll es auch in Totalán geschehen sein.

Betroffen ist auch das wichtigste Feuchtgebiet Spaniens, die Doñana bei Huelva an der Atlantikküste. Systematisch graben die Landwirte dort dem Naturschutzgebiet das Wasser ab, um ihre Ernten und Einkünfte zu sichern. Die lokalen Behörden seien völlig überfordert mit dem Kampf gegen die illegale Bewässerung, klagt der WWF.

Auch die vergleichsweise geringen Strafen würden die Farmer nicht abschrecken. "Wenn jemand erwischt und bestraft wird, zahlt er ein Bußgeld, das er sich eher leisten kann, als auf den Wasserraub zu verzichten", sagt Fuentelsaz. Umweltschützer kämpfen deshalb dafür, dass solche Lebensmittel in den Supermärkten markiert werden, die unter Nutzung legaler Wasserquellen produziert wurden.

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