Kirschblüte in Japan:Antikörpertest statt Sake

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Hanami, die Feier der Kirschblüte, ist ein Fest für die japanische Seele. (Foto: dpa)

Corona ist eine Zumutung für das japanische Frühlingsgefühl. Das Kirschblütenfest darf in diesem Jahr wieder begangen werde - allerdings nur unter strengen Auflagen.

Von Thomas Hahn und Sachiko Suga, Tokio

Das Coronavirus ist eine Zumutung für das japanische Frühlingsgefühl. Und Yoko Oguni erinnert sich überhaupt nicht gerne zurück an das vergangene Jahr, als die Pandemie-Angst noch frisch war und sie sich in der Hanami-Zeit nicht aus ihrer Wohnung in Tokio-Shibuya traute. Die 53-jährige Angestellte hat damals die Kirschblüte nicht gesehen. Das aber soll ihr kein zweites Mal passieren, und so ist sie an diesem sonnigen Samstagvormittag in den Yoyogi-Park gekommen. Allein, ohne ihre Freunde. Sie wolle nicht zu viel Nähe riskieren. Sie trägt konsequent ihre Maske. Und weil zum Infektionsschutz orangefarbene Zäune entlang der Asphaltwege aufgestellt sind, kann sie nicht ganz nah heran an die Kirschbäume. Aber immerhin: Sie kann daran vorbeigehen. Sie kann Fotos machen. Sie anschauen. "Ich bin viel glücklicher als letztes Jahr", sagt Yoko Oguni.

Hanami, die Feier der Kirschblüte, ist ein Fest für die japanische Seele, eine jährliche Hommage an Pracht und Vergänglichkeit des Daseins. Zwei Wochen lang blühen Japans Kirschbäume. Dann taumeln die Blüten zu Boden und werden zum Symbol der japanischen Melancholie: So schön ist das Leben, und so kurz. Es war deshalb keine Kleinigkeit im vergangenen Jahr, als die Verwaltungen im Land wegen der Pandemie überall Feste absagten, die üblichen Massenpicknicks unter den Bäumen verbaten und die Menschen wegbleiben sollten. Damals half auch der japanische Trotz nicht gegen die Angst. Man wusste einfach zu wenig über Corona. "Ich bin relativ brav zu Hause geblieben", sagt Yoko Oguni.

Yoko Oguni, 53, Angestellte, hier im Yoyogi-Park in Tokio. Der orangefarbene Zaun soll dem Infektionsschutz dienen. (Foto: Sachiko Suga)

Dieses Jahr ist es anders. Die Infektionszahlen sind zwar höher und steigen wieder; allein Tokio meldete am Samstag 430 neue Fälle, so viele wie seit einem Monat nicht mehr. Es ist erneut verboten, unter den Bäumen Planen auszulegen und mit Gesang und viel Sake das Ende des Winters zu begehen. Aber ein zweites Mal will sich das Land nicht so einfach von seiner Nationalblume fernhalten lassen. Yoko Oguni war nicht die Einzige, die am Wochenende zu den Kirschblüten-Standorten Tokios pilgerte, in den Ueno-Park, an den Fluss Meguro oder eben in den Yoyogi-Park. Die Wege rund um die eingezäunten Kirschbäume waren voll. Schauen ist erlaubt. Also schauen die Leute.

Virtual-Reality-Brillen vermitteln das Gefühl, unter einem Kirschbaum zu sitzen

Sogar manches Traditionsfestival aus Anlass der Kirschblüte lehnt sich auf gegen den Trend zur Absage. Am Wochenende fand zum Beispiel das Kitayamada-Sakura-Festival in Yokohama statt. Natürlich unter strengen Hygieneauflagen. Besucherinnen und Besucher mussten sich vorher registrieren lassen und am Eingang Gesundheitskontrollen bestehen, um ein Armband zu bekommen, ohne das man an den Ständen nichts kaufen durfte. Und zu den Attraktionen gehörten laut Ankündigung nicht nur Imbissstände und Tanz. Sondern auch ein Antikörpertest.

Aber dichte Besucherströme passen nicht zur Lage. Einige Firmen bieten deshalb Dienstleistungen zum Home-Hanami an. Ein privater Wetterdienstleister hat Livekameras am Meguro und im Ueno-Park eingerichtet. Außerdem führt er Virtual-Reality-Brillen, die zu Entspannungsmusik das Gefühl vermitteln, als wäre man unter Kirschbäumen. Ein Unternehmen für Drohnen-Entertainment veranstaltet Shows im Internet mit Filmen und Liveübertragungen aus den Wipfeln der schönsten Kirschgärten; das passte vor allem zum Samstag, dem offiziellen Online Hanami Day. Ein Chauffeurservice leistet Fahrten zu Kirschgärten in hygienisch gesicherten Limousinen. Blumenläden verkaufen Blütenarrangements für den Kirschgarten im Haus. Die Hanami-Rettung heiligt die Mittel.

Das findet Yoko Oguni auch. "Aber das hier ist eine andere Sache." Sie zeigt in die blühende Landschaft des Yoyogi-Parks hinein. Die frische Luft, den Duft der Blüten, die Geräusche des Windes, die ganze Atmosphäre - das kann man sich nicht aus dem Internet herunterladen oder mit ein paar Blumentöpfen im Wohnzimmer herstellen. Hanami findet draußen statt, für Yoko Oguni gibt es dazu keine echte Alternative. Zumal sie nicht nur für sich in die Bäume schaut. Sie hat viele Fotos gemacht. "Die schicke ich meiner Familie in Yamagata." Dort schmilzt gerade erst der Schnee, deshalb wird die sich freuen über die Hanami-Grüße aus Tokio.

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