Italien:Wenn die Grenze mitten durchs Wohnzimmer führt

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In Italien darf man seine Gemeinde an den Feiertagen nicht verlassen. Zwei Dörfer in Umbrien liegen dafür aber allzu nah beieinander.

Von Ramona Dinauer und Francesca Polistina

Von dem Gedanken, Weihnachten in einem anderen Land zu feiern, haben sich die Menschen in Italien schon lange verabschiedet. Auch das Reisen zwischen den Regionen verbietet das Kabinett. Für den ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag sowie Neujahr steckt Italien die Grenzen noch etwas enger. Dann sollen die Menschen in ihren Gemeinden und Städten bleiben - selbst wenn sie in Gebieten mit einem niedrigen Inzidenzwert leben. Nur die Arbeit und Notsituationen gelten als Ausnahmen. Möglich macht solche Regelungen das Decreto del Presidente del Consiglio dei Ministri (DPCM), also Dekret des Präsidenten des Ministerrats. Seit Beginn der Corona-Krise nutzt Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte die DPCM, um schnell ohne die Zustimmung des Parlaments auf Infektionszahlen mit Maßnahmen wie Schulschließungen und Sperrzonen zu reagieren. Doch die Fragezeichen, die nach jedem Dekret auftauchen, sind zahlreich.

Wie diesmal in der Provinz Terni im Süden Umbriens. Die Vorschrift, die eigene Gemeinde an den Feiertagen nicht zu verlassen, führt dort zu Kopfzerbrechen. Denn die Grenze zwischen den beiden Ortschaften Castel Viscardo und Allerona verläuft nicht nur über abgelegene Landstraßen, sondern auch mitten durch Wohnungen.

Das Wohnzimmer in Castel Viscardo, die Küche in Allerona

Etwa zehn Familien leben in solch grenzüberschreitenden Häusern. Das Wohnzimmer noch in Castel Viscardo, die Küche schon in Allerona - so zeigt es ein junges Paar in einem Video der italienischen Tageszeitung La Stampa. "Das würde bedeuten, dass wir eine Selbstauskunft ausfüllen müssen, um von einem Raum in den anderen zu gelangen", sagt der Mann. Auch die Schwestern Silvana und Diva Possiedi, die sich in der Via Mazzini gegenüber wohnen, sind noch unschlüssig, was die Grenzziehung für ihr Weihnachtsfest bedeutet. Vielleicht in der Mitte der Straße anstoßen, wie sie lachend erzählen? Ihre Häuser stehen eigentlich nah beieinander, nur durch eine schmale Straße getrennt - und trotzdem gefühlt so weit auseinander, das ist zumindest die letzte Erkenntnis der Pandemie.

Innerhalb der Ortsgrenzen verharren müssen die Menschen in Regionen, die die Regierung zu roten Risikozonen erklärt hat, schon länger. Auch Bewohner der orangen Gebiete sollen nur reisen, wenn nötig. Umbrien aber ist noch gelb gefärbt.

Der Bürgermeister von Allerona, Sauro Basili, appelliert jedenfalls an den gesunden Menschenverstand der Institutionen, den "buon senso". Denn es ist klar, dass die Regel in diesem Fall "unanwendbar" ist, wie er den italienischen Medien sagte. Und zwar, weil nicht nur Privatwohnungen, sondern selbst einige Straßen entlang der Grenze verlaufen, sodass es praktisch unmöglich ist, sich nicht zwischen einer Gemeinde und der anderen zu bewegen.

Die wahren Probleme sind andere

Das bestätigt auch Stefano Graziani, Inhaber der gleichnamigen Pizzeria, die sich in Allerona nahe der Grenze befindet. "Es handelt sich um einen kleinen Ortsteil, der im Prinzip zweitgeteilt ist", sagt er am Telefon. Ob das in der Praxis problematisch ist? "Auf keinen Fall, denn die wahren Probleme sind wirklich andere." Und zwar, dass die Infektionszahlen weiterhin stiegen und die Menschen sich dennoch in die Geschäfte reindrängelten. Allerdings nicht in diesem kleinen umbrischen Dorf: "Nein, bei uns ist es ruhig", sagt Graziani. "Bei uns gibt es nicht mal 2000 Einwohner."

Der Vollständigkeit halber muss aber auch gesagt werden, dass die Regierung sich gerade überlegt, die Mobilität zwischen kleinen Gemeinden zu ermöglichen. In dem Fall hätten die Schwestern kein Problem. Oder zumindest ein Problem weniger. Denn natürlich gilt nach wie vor: Kontakte reduzieren, wo immer möglich.

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