Rom:Der berühmteste Verkehrspolizist Italiens

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Da steht er wieder, der "Muti des Verkehrs", mit seinem weithin leuchtenden Helm. Das Podest wird nach Dienstschluss im Boden versenkt, damit im Dunkeln keiner dagegenrumpelt. (Foto: Piero Tenagli/imago images/Independent Photo A)

Nach monatelanger Baustellenpause steht endlich wieder ein "Pizzardone" auf der Piazza Venezia in Rom. Keiner dirigiert den Verkehr so formvollendet wie er.

Von Oliver Meiler, Rom

Der "Pizzardone" ist zurück, und was hat er doch gefehlt. Ein Jahr war er weg gewesen, vielleicht sogar zwei. Gefühlt jedenfalls eine Ewigkeit. Die römische Piazza Venezia hat nun also nach einer viel zu langen Pause für den Bau der neuen U-Bahn-Linie C und die Renovierung des Kopfsteinpflasters ihren Dirigenten wieder, den Bändiger des Verkehrschaos, das sich da jeden Tag entfaltet - laut und bedrohlich für Mensch und Umwelt. Ein Wunder, dass es auch ohne ihn ging.

"Pizzardone" ist ein Wort aus dem römischen Dialekt, abgeleitet von pizzarda, Zweispitz. Im 19. Jahrhundert trugen die Polizisten beeindruckend große Hüte mit hochgeschürzter Krempe. Das tun sie schon lange nicht mehr, aber der Name blieb, wie in dieser schönen Stadt fast alles für immer bleibt.

Der Pizzardone von der Piazza Venezia, der wichtigsten Kreuzung im Zentrum, ist von allen Pizzardoni der bekannteste. Eine sagenhafte Figur mit sehr weißen Stoffhandschuhen und engelhaft erhabenen, fließenden Bewegungen. Mit seinen Gesten leitet und begleitet er die Flüsse, die da von der Via del Corso oder von der Via Quattro Novembre kommen und an ihm vorbeiziehen, rüber zum Altar des Vaterlandes, zum Kapitol, zu den Kaiserforen. Es ist, als streichelte er ihnen nach.

Der berühmteste Pizzardone trug ausgerechnet den Nachnamen: Narr

Der Pizzardone brauche einen feinen Sinn für Technik und Choreografie, heißt es, und er müsse alle gleich behandeln. Und an der Piazza Venezia kommen nun mal alle vorbei: die Limousinen der Mächtigen von Politik und Kirche auf Dienstfahrt von einem Palazzo zum anderen, der Blumenhändler auf seinem Weg zum Campo de' Fiori, ein ständig schwirrender Schwarm von Motorradfahrern, neuerdings auch waghalsige junge Menschen auf E-Rollern.

Mario Buffone, heute 72, war der eleganteste von allen, er versah den Dienst auf der Piazza Venezia jahrzehntelang. Sein nicht sehr glücklicher Nachname, der "Narr" bedeutet, war kein Hindernis für Elogen. Man rief ihn "Muti des Verkehrs", nach Riccardo Muti, dem italienischen Stardirigenten. Überhaupt waren Verkehrspolizisten immer schon beliebte Alltagsprotagonisten in Italien, gefeiert in vielen Filmen. Auch Alberto Sordi, der römischste aller Schauspieler, trat oft in Polizistenrollen auf. Es waren immer komische.

Früher gab es in Italien auch den Brauch der "Befana del Vigile", des Dreikönigsfests für Polizisten. Einmal im Jahr verziehen die Bürger den Beamten, dass sie ihnen Geldstrafen anhängen, und beschenkten sie mit Panettone, Champagner, Salami, Früchten - ganze Berge davon legten sie ihnen zu Füßen, während die unterdessen einfach weiterdirigierten. Im Netz gibt es ein schönes Zeitdokument dazu aus dem Jahr 1950.

Nun steht er also wieder auf dem Podest, seiner Bühne, einen halben Meter hoch. In den Anfängen war der Sockel aus Holz, später aus Beton. Weil in der Nacht oft Fahrer dagegenprallten, gedankenverloren oder trunken vom Leben, versah man das Podest 2006 mit einer Hydraulik: Es lässt sich also nach Dienstschluss im Boden verstauen. Und hochfahren, wenn der Wahnsinn am Morgen wieder losgeht. Jeden Tag, in alle Ewigkeit.

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