Hochwasser auf dem Balkan:Ein Versäumnis, das Leben kostet

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Viele Serben erfuhren zu spät von dem drohenden Hochwasser (Foto: REUTERS)

Serbiens Regierung soll bereits sechs Tage, bevor die verheerende Flut eintrat, gewarnt worden sein. Die Bürger allerdings wurden nicht informiert und bis zuletzt dazu aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben.

Von Florian Hassel, Belgrad

Die Bewährungsprobe für Serbiens Hauptstadt kommt wohl erst am Freitag: Dann wird die Donau im Belgrader Ortsteil Zemun laut staatlichem Wetterdienst den hastig aufgebauten Schutzwall aus Sandsäcken womöglich übersteigen. Doch noch bevor klar ist, wie lange das Hochwasser dauert, mehren sich die Indizien dafür, dass viele Menschenleben hätten gerettet werden können, wenn Serbiens Behörden rechtzeitig gehandelt hätten.

Bereits am 10. Mai, sechs Tage bevor das Hochwasser die bisher am schlimmsten betroffene Stadt Obrenovac erreichte, warnte der Wetterdienst zuständige Ministerien vor der Flut. Das meldet die Zeitung Blic. Statt die sofortige Evakuierung einzuleiten, die 13 Menschenleben hätte retten können, unternahmen Serbiens Regierung und der Bürgermeister von Obrenovac nichts. Sogar als das Wasser in Obrenovac bereits den Damm überflutet hatte, rief Belgrads Bürgermeister Sinisa Mali die Menschen noch dazu auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. Und seine Stimme hat Gewicht in Obrenovac, einer Vorstadt von Belgrad. Später ließ Mali, der zur nationalpopulistischen Serbischen Fortschrittspartei von Ministerpräsident Alexander Vucic gehört, den Aufruf von seiner Webseite entfernen.

Erst nach dem desaströsen Dammbruch begann eine unkoordinierte Evakuierung der überfluteten Stadt. "Wir wurden nicht gewarnt. Wir haben nichts über den Ernst der Lage gehört", dementierte ein erboster Bürger aus Obrenovac Berichte des Staatsfernsehens über eine angeblich geordnete Evakuierung. Zudem wurde mittlerweile bekannt, dass Helferteams in Städte geschickt wurden, in denen man sie gar nicht brauchte, während man andernorts vergeblich auf Hilfe wartete.

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Menschen, die in den oberen Stockwerken ihrer Häuser ausharren. Autos, versunken in Schlamm und Wasser. In einigen Balkanstaaten haben Unwetter für schwere Überschwemmungen gesorgt. In Bosnien und Serbien gab es mindestens sieben Tote. Bilder aus den betroffenen Gebieten.

Unterdessen werden die Aufräumarbeiten im benachbarten Bosnien durch Munitionsüberbleibsel aus Bürgerkriegszeiten immer gefährlicher. Im nordbosnischen Bezirk Brcko explodierte laut Behörden in der Nacht zum Mittwoch eine von der Flut frei gespülte Landmine. Verletzt wurde aber niemand. Außerdem entdeckten bosnische Freiwillige bei Aufräumarbeiten in der nordwestlichen Region Prijedor einen Kühlschrank mit Sprengsätzen sowie einen Granatwerfer und einen Behälter mit Bomben und Munition, wie das Minenaktionszentrum mitteilte.

© SZ vom 22.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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