Hitzewelle:Deutschland läuft heiß

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Die schöne Seite des Hitze-Sommers: Hinter einem dünnen Wolkenband geht die Sonne über den Ausläufern des Taunus unter. (Foto: dpa)
  • Seit etlichen Wochen ist es heiß in Deutschland, am Dienstag war der bisher heißeste Tag des Jahres.
  • Doch nicht nur die Natur leidet unter der Trockenheit, in manchen Regionen hat es seit April kaum geregnet und wenn, dann unwetterartig.
  • Auch den Menschen macht die Hitze zu schaffen.

Von Gianna Niewel

Später Nachmittag, eine Eisdiele in Trier, aber die Bedienung trägt Wasser, Tabletts voller Gläser. Sie schwitzt, die Gäste schwitzen, und irgendwann sagt sie: Ich will über das Wetter nicht klagen. Am Tonfall hört man, dass sie es doch tut. Seit mehreren Wochen ist es heiß in Deutschland, am Dienstag war der bisher heißeste Tag des Jahres. 39,2 Grad zeigte das Thermometer in Bernburg in Sachsen-Anhalt. Passend dazu hat der Deutsche Wetterdienst eine Liste herausgegeben, die die Hitze und die Trockenheit in den Bundesländern in Zahlen erfasst. Fast überall liegen die Werte auffällig hoch. Es sind Zahlen eines Land, das unter den Temperaturen leidet.

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In Oberfranken und Niedersachsen werden die Wälder aus der Luft überwacht, um mögliche Brände früh zu erkennen. Gleichzeitig herrscht in den Flüssen Niedrigwasser, etwa in Elbe, Rhein, Donau und Main. Manche Fähren können nicht fahren, manche Schiffe müssen weniger Fracht laden. Bei Frankfurt an der Oder kann der Fluss durchwatet werden, Pegelstand: 1,41 Meter. In den Gewässern um Hamburg sterben die Fische, eine Tonne tote Brassen, Schleie, Karpfen und Rotaugen wurden allein am Dienstag aus dem Wasser gezogen. Der Sauerstoffgehalt war zu niedrig.

Im Schleswiger Luisenbad haben sie ein anderes Problem, in dem Naturbad wuchern Blaualgen. Blaualgen reizen die Schleimhäute und wenn man sie verschluckt, können sie Durchfall und Atemnot auslösen. Das sagen Ärzte. "Es ist ein dicker Film auf der Wasseroberfläche, der aussieht wie Erbsensuppe." Das sagt ein Sprecher des Fachdienstes für Gesundheit. Noch bis Sonntag ist das Baden verboten.

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Doch nicht nur die Natur leidet unter der Trockenheit, in manchen Regionen hat es seit April kaum geregnet und wenn, dann unwetterartig. Auch den Menschen macht die Hitze zu schaffen.

Am Dienstag waren 120 Kinder, Jugendliche und deren Betreuer auf dem Rückweg von einem Zeltlager auf der A 1, als im Bus die Klimaanlage ausfiel. Kinder kollabierten, der Bus hielt auf einem Rastplatz, die Feuerwehr kam, zehn Kinder mussten in ein Krankenhaus nach Oldenburg gebracht werden. In den Seniorenheimen und Krankenhäusern sind die Pflegerinnen und Pfleger sensibilisiert. Sie sollen nicht nur darauf achten, dass die Patienten genug Wasser und Tee trinken. Gegen die Hitze helfen auch Kühlpads und nasse Handtücher, manche Häuser haben den Speiseplan geändert. Statt warmer Suppen gibt es Joghurt mit klein geschnippeltem Obst.

Dass gerade so viel über das Wetter geredet wird, liegt nicht nur daran, dass die vergangenen Wochen so heiß waren. Auch die nächsten Tage sollen nicht kühler werden.

Mehrere Atomkraftwerke haben ihre Leistung reduziert, der Reaktor Philippsburg in Baden-Württemberg um bis zu zehn Prozent. Die Wassertemperatur im Rhein solle nicht noch dadurch erhöht werden, dass das genutzte und deshalb warme Kühlwasser zurückgeleitet wird, heißt es vom Stromversorger EnBW. In Hamburg bitten die Getränkehersteller ihre Kunden darum, das Leergut zurückzubringen. Jede Flasche werde schnellstmöglich wieder gefüllt. Deutschlandweit gibt es Mahnungen, im Wald keine Zigaretten fallen zu lassen und herumliegendes Glas aufzusammeln. Es gibt allerlei Ratschläge: Morgens lüften, dann die Rollläden schließen. Kleidung aus Leinen und Baumwolle tragen. Auf Kaffee verzichten, auf Alkohol, auf fettiges Essen.

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Man muss lange telefonieren, um jemanden zu finden, der dem Wetter dann doch etwas Positives abgewinnen kann. "Wer Urlaub in Deutschland gebucht hat, der bleibt dabei, egal, ob es 18 Grad sind oder 38 Grad", heißt es beim Deutschen Tourismusverband. Wer noch nicht gebucht habe, der entscheide sich in diesem Sommer gerne mal gegen Mallorca und für Mecklenburg-Vorpommern. Zahlen für den Juli hat der Verband noch nicht, dafür aber Rückmeldungen aus den einzelnen Ländern. Besonders gute kommen aus den Küstenregionen. In Schleswig-Holstein und Niedersachen etwa heißt es, dass Ferienwohnungen, Campingplätze, Jugendherbergen und Hotels zu 90 bis 95 Prozent ausgelastet seien.

In der Eisdiele in Trier ist es Abend geworden. Die Bedienung trägt kaum noch Wassergläser umher, dafür Erdbeerbecher und Spaghettieis. Sie sagt, dass es jetzt angenehm sei, draußen zu arbeiten, das erste Mal seit dem Wochenende. Für die nächsten Tage haben sie vorgesorgt. Sie haben mehr Wasser gekauft als sonst und mehr Eiswürfel eingefroren, denn natürlich schauen sie auf den Wetterbericht.

Am Donnerstag, 9. August, soll es auf 25 Grad runterkühlen. Nicht nachts. Tagsüber.

© SZ vom 01.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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