Geldstrafen beantragt:Hildmann-Spitzel in der Berliner Justiz waren zwei Schwestern

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Attila Hildmann bei einer Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesregierung. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Der Rechtsradikale Attila Hildmann wusste 2021, dass ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt, noch bevor die zuständigen Staatsanwälte diese Information hatten. Jetzt ist klar, wie das passieren konnte.

Der rechtsradikale Verschwörungserzähler Attila Hildmann hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft von zwei in der Berliner Justiz beschäftigten Schwestern interne Informationen zu Ermittlungen gegen ihn erhalten. Die Behörde wirft ihnen Verletzung von Dienstgeheimnissen vor, erklärte ein Sprecher.

Unter anderem sollen die Ex-Mitarbeiterinnen den früheren Autor veganer Kochbücher im Februar 2021 über einen Haftbefehl gegen ihn informiert haben. Zu dem Zeitpunkt, als Hildmann zum ersten Mal öffentlich über den Haftbefehl spottete, war die vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten erlassene Entscheidung noch so frisch, dass nicht einmal die zuständigen Staatsanwälte davon wussten.

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Per Strafbefehl - also ohne mündliche Verhandlung - sollen die Frauen nun zu Geldstrafen von 2700 und 3500 Euro verurteilt werden. Der Fall wurde im November 2021 öffentlich. Allerdings hatte die Generalstaatsanwaltschaft damals nur eine 33 Jahre alte IT-Mitarbeiterin als Beschuldigte genannt. Inzwischen gehen die Ermittler aber davon aus, dass auch deren Schwester Hildmann mit Interna versorgt hat.

Beide Frauen wurden laut Staatsanwaltschaft nach Bekanntwerden der Vorwürfe vom Dienst freigestellt und sind mittlerweile nicht mehr für die Strafverfolgungsbehörden tätig. Die frühere IT-Mitarbeiterin der Generalstaatsanwaltschaft soll Hildmann mehrfach Informationen über einen Messengerdienst geschickt haben.

Zunächst soll sie laut Ermittler am 2. November 2020 über ihren Home-Office-Laptop im Registratursystem abgefragt haben, welche Verfahren es gegen Hildmann gibt. Die Aufstellung soll sie ihm dann zukommen lassen haben - verbunden mit dem Angebot, ihn auf dem Laufenden zu halten, mit Informationen zum damaligen Umfang der Akte und dem Namen des zuständigen Staatsanwaltes. Am 18. oder 19. Februar 2021 soll sie ihn dann über den Haftbefehl informiert haben. Dafür sei eine Geldstrafe von insgesamt 180 Tagessätzen zu je 15 Euro beantragt worden, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Fotos vom Haftbefehl gemacht

Die Schwester der Frau war bei der Staatsanwaltschaft mit dem Kopieren von Akten betraut. Das soll die 35-Jährige am 23. Februar 2021 genutzt haben, um Fotos des Haftbefehls anzufertigen, der sich in den Akten von Hildmann befand. Für die Frau ist ebenfalls eine Geldstrafe beantragt worden - 70 Tagessätze à 50 Euro.

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt seit Längerem gegen Hildmann, der sich selbst als "ultrarechts" und einen Verschwörungsprediger bezeichnet, wegen Volksverhetzung, des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Er war seit den ersten Monaten der Corona-Pandemie im Messengerdienst Telegram mit immer unverhohlenerem Judenhass aufgefallen. Seit Ende Dezember 2020 ist er auf der Flucht und hält sich in der Türkei versteckt.

Ursprünglich hieß es, der Haftbefehl gegen Hildmann könne nicht vollstreckt werden, weil er auch die türkische Staatsbürgerschaft besäße. Inzwischen ist aber klar, dass er nur die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und nach Deutschland ausgeliefert werden könnte. Dafür müsste jedoch ein Auslieferungsgesuch durch die Bundesregierung an die Türkei gestellt werden.

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