Nordsee:Taucher sollen nach Vermissten nach Frachter-Kollision suchen

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Das von den Behörden zur Verfügung gestellte Handout zeigt Suchscheinwerfer, die das Wasser in der Nähe der Stelle absuchen, an der das Frachtschiff "Verity" gesunken sein soll. (Foto: Handout/dpa)

Eines der beiden Schiffe ist gesunken. Ein Seemann ist tot, zwei weitere wurden gerettet, vier Menschen werden noch vermisst. Südwestlich von Helgoland läuft nun ein großer Rettungseinsatz - und die Zeit ist knapp.

Von Ulrike Nimz, Hamburg

Es ist einer der größten Rettungseinsätze, den es auf der Nordsee in jüngster Zeit gegeben hat. Nach der Kollision zweier Frachter in der Deutschen Bucht sind mehrere Besatzungsmitglieder am frühen Dienstagmorgen in Seenot geraten. Zwei Menschen konnten bei Windstärke 6 gerettet werden und befinden sich inzwischen im Krankenhaus. Ein Seemann wurde tot geborgen. Vier Menschen werden noch vermisst.

Die Frachtschiffe Polesie und Verity waren gegen fünf Uhr morgens zusammengestoßen. Das Unglück ereignete sich 22 Kilometer südwestlich von Helgoland und 31 Kilometer nordöstlich von Langeoog. Rettungskräfte gehen davon aus, dass die Verity infolge der Kollision gesunken ist. Sieben Menschen waren an Bord. Die Polesie sei schwimmfähig, die 22 Besatzungsmitglieder sind nach Angaben des Havariekommandos unverletzt. Wie es zu der Kollision kommen konnte, ist derzeit noch unklar.

Bereits 20 Minuten nach Eingang des Alarms sei das Signal der Verity verschwunden gewesen, man habe davon ausgehen müssen, dass das Schiff gesunken sei, sagte Kapitän Michael Ippich, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, bei einer Pressekonferenz in Cuxhaven. Etwa eine Stunde darauf sei der erste von insgesamt sechs Seenotkreuzern vor Ort gewesen. Um 6.29 Uhr seien erste Wrackteile gefunden worden.

"Wir tun derzeit alles Menschenmögliche, um Menschenleben zu retten"

Unterstützt wurde die Suche nach Überlebenden von zahlreichen weiteren Schiffen, darunter Fahrzeuge der Wasserschutzpolizei und ein britisches Kreuzfahrtschiff mit medizinischem Personal an Bord. Hubschrauber der Marine sowie ein Sensorflugzeug, das Öl und andere Verschmutzungen der Wasseroberfläche aufspüren kann, kreisten über der Unglücksstelle.

"Wir tun derzeit alles Menschenmögliche, um Menschenleben zu retten", sagte Robby Renner, Leiter des Havariekommandos. "Fakt ist, wir kennen den Verbleib der Menschen nicht. Wir müssen in Betracht ziehen, dass sie noch im Schiffskörper eingeschlossen sind." Deshalb sollten Taucher das Wrack inspizieren. Eine solche Aktion ist nur in einem schmalen Zeitfenster während des Überganges von Ebbe und Flut möglich. Renner sprach von einer "extrem dynamischen Lage", zu deren Verlauf noch keine Prognose möglich sei. Die Suche nach ihnen soll auch nachts weitergehen. "Geplant ist, die Suche bis nach Mitternacht fortzusetzen", teilte das Havariekommando in Cuxhaven am Dienstagabend mit.

Zum Unglückszeitpunkt schlugen die Wellen im Suchgebiet bis zu drei Meter hoch, die Wassertemperatur der Nordsee liegt bei zwölf Grad Celsius. Experten gehen davon aus, dass Menschen in einer solchen Situation bis zu 20 Stunden überleben können. "Je nachdem, ob es zuvor gelungen ist, Schutzkleidung anzulegen oder nicht", so Ippich. Am Dienstagnachmittag verbesserte sich die Wetterlage, Wind und Seegang nahmen ab.

Die "Verity" ist 91 Meter lang und 14 Meter breit, nun liegt sie in 30 Metern Tiefe (Archivbild). (Foto: Dietmar Hasenpusch/dpa)

Die 91 Meter lange und 14 Meter breite Verity habe vor allem Stahl geladen und etwa 1300 Kubikmeter Dieseltreibstoff. Es sei möglich, dass von dem Schiff Umweltgefahren ausgehen. Ein inzwischen erstelltes seismografisches Bild des Meeresbodens zeige das Schiff mit einer leichten Neigung in einer Tiefe von etwa 30 Metern. Der Schiffskörper sei nicht auseinandergebrochen, hieß es.

Die unter der Flagge Großbritanniens fahrende Verity war laut dem Havariekommando auf dem Weg von Bremen nach Immingham, einem Hafen an der englischen Nordseeküste. Das 2001 in den Niederlanden gebaute Schiff hat auf der Isle of Man seinen Heimathafen. Es gehört zu der britisch-niederländischen Reederei Faversham Ships.

Der Frachter "Polesie" ist mit 190 Metern Länge deutlich größer und nach der Kollision offenbar noch schwimmfähig (Archivbild). (Foto: Dietmar Hasenpusch/dpa)

Der Frachter Polesie gehört zur polnischen Reederei Polsteam Group, die ihren Sitz in Stettin (Szczecin) hat. Dieses Schiff ist 190 Meter lang und 28,5 Meter breit - also deutlich größer als die Verity. Es wurde 2009 in China gebaut und fährt unter der Flagge der Bahamas. Es war seit Montagabend auf dem Weg von Hamburg nach A Coruña in Nordwestspanien.

Das Unglück auf der Nordsee ereignete sich fast auf den Tag genau 25 Jahre nach einer der größten Schiffshavarien in der deutschen Geschichte. Am 25. Oktober 1998 war der italienische Holzfrachter Pallas auf dem Weg von Schweden nach Marokko, als die Holzladung vor der dänischen Nordseeküste in Brand geriet. Das Schiff trieb führerlos in deutsche Gewässer und strandete vor der Insel Amrum. Es kam zu einer großen Ölverschmutzung, in deren Folge viele Vögel verendeten.

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