Frühlingsritual:Die Rückkehr der Schwäne

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Hamburgs Alsterschwäne sind aus dem Winterquartier zurückgebracht worden. In der Hansestadt heißt das: Die Welt ist noch in Ordnung.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Schwäne stehen in Hamburg für Freiheit und Wohlstand. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Bei der Krugkoppelbrücke dümpelt ein Ruderboot mit vier älteren Damen auf der Alster. Sie halten kurz inne auf ihrer kleinen Überfahrt an diesem sonnenhellen Hamburger Frühlingstag. Sie genießen die Brise, die über das Wasser streicht, sie lassen die Farben unter dem blau-weißen Himmel auf sich wirken. Aber eine der Damen merkt auf. Denn da kommt was. "Schwäne. Ganz viele Schwäne." Die Damen setzen das Boot in Bewegung. Sie rudern rechts ran, und kurz darauf sehen sie, wie eine ganze Prozession der eleganten Vögel mit eiligen Flossenschlägen an ihnen Richtung Außenalster vorbeizieht.

Die Rückkehr der Schwäne aus dem Winterquartier am Eppendorfer Mühlenteich ist jedes Jahr ein besonderes Ereignis für die Hansestadt. Im Grunde sogar ein Symbol für das gute Gefühl, dass die Welt doch noch in Ordnung ist. Denn die Schwäne sind hier nicht nur irgendeine Zierde der Alsterlandschaft, sie gehören zum Hamburger Selbstverständnis wie der Michel und der Hafen. Seit Jahrhunderten stehen sie für Freiheit und Wohlstand. Gerne wird die Legende zitiert, wonach Hamburg solange selbständig und wirtschaftlich erfolgreich sei, solange Schwäne auf der Alster schwimmen. Oder jenes Mandat von 1664, in welchem der Senat streng untersagte, "auf der Alster gehende Schwäne in einiger Weise zu beleidigen".

Schwäne in Begleitung der Polizei

Umso größer war das Entsetzen im vergangenen Sommer, als die ungewöhnliche Hitze den Tieren derart zusetzte, dass manche von ihnen kraftlos ihre langen Hälse hängen ließen. Todesfälle wurden mit den hohen Temperaturen in Verbindung gebracht. Das Winterquartier wurde zur Erholung geöffnet. Aber jetzt sind sie ja wieder da und bester Laune, wie man am Dienstag vom Ufer aus sehen konnte.

Um zehn Uhr hatte der Schwanenvater Olaf Nieß von der Behörde Hamburger Schwanenwesen die 120 Schwäne der Stadt zum Aufbruch versammelt. Sie kreisten bedächtig durchs Wasser, wie Sportler, die sich auf einen Einsatz vorbereiten. Dann öffnete sich das Tor, und der Tross setzte sich in Bewegung. Die Vögel voraus, ein Polizeischiff und weitere Boote hinterher, um die Tiere zusammen und in Bewegung zu halten. Sie sollen immer im Pulk die Außenalster erreichen, damit sie sich alle auf die Fläche des Stausees verteilen und nicht im engen Kanal ums Revier streiten.

Andächtige Freude

Schaulustige begleiteten den Auszug mit Kameras und andächtiger Freude. Zielstrebig glitten die Schwäne durch die kleinen Wellen, das Feld zog sich auseinander wie bei einem Radrennen mit Spitzengruppe und Verfolgern, mit einzelnen, die sich eine einsame Führung zutrauten, anderen, die hinten blieben. Das Schauspiel war kraftvoll und ruhig. Ruderboote mussten ausweichen, einzelne Enten sahen sich plötzlich eingeholt vom Schwarm der weißen Schwimmer. Und als die Schwäne hinter den Bögen der Krugkoppelbrücke die glitzernde Weite der Außenalster sahen, schienen sie vor Freude auf die Freiheit des Sommers das Tempo zu verschärfen.

"Das hat mit dem Wetter zu tun", sagt Olaf Nieß später, bei Niesel wäre die Stimmung der Schwäne anders. Der Jagdreviermeister Nieß sitzt in seinem Boot und gibt Interviews. Der Posten des Schwanenvaters ist eine traditionelle, ehrwürdige Tätigkeit, die seinen Inhaber aber längst auch als Medienprofi fordert. Dieses Jahr gibt es sogar eine heikle Frage: Was wird mit den Schwänen, wenn dieser Sommer wieder so heiß wird? "Das kann ein großes Problem für uns werden", sagt Nieß, man denke viel darüber nach, informiere sich in Städten, die Erfahrung mit Hitze haben. Er könnte viel über Lösungsansätze sagen. Tut er aber nicht, weil er sich noch nicht auf einen festlegen kann. "Sonst heißt es, ihr tut gar nicht, was ihr gesagt habt." Vorerst ist ohnehin alles in Ordnung. Die Schwäne stöbern friedlich im Schilf. Bald werden sie ihre Nester bauen. Wenn alles normal bleibt, müssen sie erst im November zurück ins Winterquartier.

© SZ vom 10.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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