Antisemitismus-Vorwurf:Zweifel an Ofarims Schilderungen

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Gil Ofarim wirft einem Mitarbeiter des Leipziger Hotels Westin Antisemitismus vor. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Der Sänger soll wegen einer Kette mit dem Davidstern in einem Hotel antisemitisch beleidigt worden sein - auf Videoaufnahmen ist sie aber offenbar nicht zu sehen.

Von Oliver Klasen und Antonie Rietzschel, Leipzig

Als Gil Ofarim am Abend des 4. Oktober vor dem Leipziger Hotel Westin ankommt, scheint er gut gelaunt zu sein. Lächelnd und mit mehreren Umarmungen verabschiedet er sich von einer Bekannten, rollt seinen Koffer in die Lobby. Das zeigen Aufnahmen der Überwachungskameras, die der SZ vorliegen. Als Ofarim nach etwa einer halben Stunde vor das Hotel tritt, wirkt er rastlos. Der Sänger läuft hin und her, schaut immer wieder auf sein Handy, dann setzt er sich auf den Bordstein. Darüber, was im Inneren des Hotels passiert ist, was Ofarim so sichtlich betroffen machte, gibt es unterschiedliche Versionen.

Ofarim behauptete in einem bei Instagram hochgeladenen Video, er sei antisemitisch beleidigt worden. Der Sänger hat Anzeige gegen einen Mitarbeiter des Hotels erstattet. Dieser wurde zumindest für die Dauer der Ermittlungen vom Hotel suspendiert und ging wiederum gegen Ofarim wegen Verleumdung vor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Manager des Hotels hat eine externe Anwaltskanzlei mit der Aufarbeitung des Falls betraut. Im Wesentlichen geht es um ein Wortgefecht an der Rezeption - und um eine Kette mit dem Davidstern. Ofarim trägt sie in dem für Instagram gedrehten Video um den Hals. "Pack deinen Stern ein", soll besagter Mitarbeiter an der Rezeption wörtlich gesagt haben. So schildert es Ofarim. Doch es gibt Zweifel, ob irgendwer die Kette überhaupt hätte sehen können.

Derzeit wertet die Polizei auch die Aufnahmen der Überwachungskameras aus der Hotellobby aus. Die Videos, aus verschiedenen Perspektiven gedreht, decken sich mit Ofarims Schilderung, wonach es an dem Abend leicht chaotisch zugegangen sein muss. Als der Sänger das Hotel betritt, reiht er sich in eine längere Warteschlange ein. Das Check-in-System war kurzzeitig ausgefallen, offenbar ließ einer der Mitarbeiter mehrere Stammgäste vor, was Ofarim verärgerte.

Etwas baumelt um den Hals, was, ist schwer zu erkennen

Die Videoaufnahmen zeigen ihn aufgeregt an der Rezeption gestikulierend, Teile des Oberkörpers sind sichtbar. Etwas baumelt um den Hals von Ofarim. Mit dem bloßen Auge ist es schwer zu erkennen. Nach SZ-Informationen ist jedoch ein Forensiker, der die Videos analysiert hat, zu dem Schluss gekommen, dass es sich dabei nicht um besagte Kette handelt. Seiner Einschätzung nach ist die auf keiner der Aufnahmen zu sehen.

Ein Ausschnitt zeigt, wie sich Ofarim schließlich von der Rezeption entfernt. Er holt sein Handy heraus. Der Mitarbeiter kommt zu ihm, spricht ihn an. Ofarim streckt ihm abweisend den Arm entgegen, beginnt zu telefonieren und verlässt schließlich das Hotel. Der Bild am Sonntag sagte er nun: "Der Satz, der fiel, kam von hinten. Das heißt, jemand hat mich erkannt. Es geht hier nicht um die Kette. Es geht eigentlich um was viel Größeres. Da ich oft mit dem Davidstern im Fernsehen zu sehen bin, wurde ich aufgrund dessen beleidigt."

Auf SZ-Nachfrage stellt der Sprecher der Staatsanwaltschaft klar, man werde den Stand der Ermittlungen derzeit nicht kommentieren. Die Auswertung der Videos dauere noch an, ebenso die Befragung von Zeugen und Personen, die sich an jenem Abend im Hotel aufgehalten haben und möglicherweise als Zeugen infrage kommen.

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