Gleichgeschlechtlicher Sex ist in Indien keine Straftat mehr. Die höchste juristische Instanz des Landes, der Supreme Court, hat an diesem Donnerstag das entsprechende Gesetz aufgehoben. Seit der britischen Kolonialzeit gab es im indischen Strafgesetzbuch den Paragrafen 377, der homosexuelle Akte unter Strafe stellte und sie als ein Verbrechen "gegen die Natur" bezeichnete. Wer gegen das Gesetz verstieß, konnte mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. In den vergangenen Jahren hat es eine Kampagne im Land gegeben, den Paragrafen abzuschaffen.
Das Gericht erklärte, das Gesetz verstoße gegen die Verfassung, in der das Recht auf Gleichberechtigung festgeschrieben ist. Zwar waren Anklagen auf Basis des homosexuellen-feinlichen Paragrafen eher die Ausnahme, er sei jedoch als "Waffe der Diskriminierung" verwendet worden, sagte Richter Dipak Misra. "Wir haben endlich Gerechtigkeit erlangt", zitiert die Zeitung Times of India einen Aktivisten nach der Urteilsverkündung.
Der Beschluss wird einen weitreichenden Einfluss auf das Land haben, in dem Homosexuelle lange Zeit sozial geächtet wurden. Die rigidie Gesetzeslage zwang viele dazu, sich zu verstecken. Auf den Straßen Mumbais, der größten Stadt Indiens, und in der Hauptstadt Delhi feierten zahlreiche Menschen den Gerichtsentscheid. "Ich bin sprachlos", sagte der Student Rama Vij der Nachrichtenagentur AFP. "Es hat lange gedauert, aber nun kann ich endlich sagen, dass ich frei bin und die gleichen Rechte habe."
Bereits im Jahr 2009 hatte es einen ähnlichen Vorstoß gegeben. Damals urteilte der Delhi High Court, dass der Paragraf 377 verfassungswidrig sei. Christliche und muslimische Konservative starteten eine Kampagne, das Urteil zu revidieren. 2013 hob der Supreme Court den Gerichtsentscheid auf. Das Parlament solle über die Abschaffung des Gesetzes entscheiden, hieß es zur Begründung. Die Regierung überließ diese Entscheidung nun jedoch der Justiz.