Scholz und Macron in Hamburg:Zusammen weggeputzt

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Kauen, schlucken, durchatmen: Bundeskanzler Olaf Scholz hat beim Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron öffentlich gespeist. Für die Politiker und deren Ehefrauen Brigitte Macron und Britta Ernst (rechts) gab es Fischbrötchen. (Foto: John Macdougall/AFP)

Fischbrötchen mit rohen Zwiebeln ist nicht jedermanns Sache - wie auch die Fotos vom Treffen von Olaf Scholz und Emmanuel Macron beweisen. Dabei ist es die ideale Speise für Menschen, die keine Geheimnisse mehr voreinander haben sollten.

Glosse von Harald Hordych

Für alle, die es noch nicht wissen sollten: Das Fischbrötchen ist ein Türöffner für herzhafte Gespräche. Emmanuel Macron, seine Gattin Brigitte sowie Olaf Scholz und seine Frau Britta Ernst haben während des Besuchs des französischen Präsidenten in Hamburg bei einem Spaziergang im Stadtteil Blankenese Fischbrötchen verspeist. Staatstragend daran ist erst mal nur, dass Bismarckhering auf dem Brötchen liegt, aber dann kommen reichlich frische Zwiebeln dazu. Und der freundlichste Ausdruck für diese kernige Mischung ist ohne Zweifel: herzhaft (siehe oben). Das wirkt bei einem Paar, das in Paris eine Küche genießt, die mit der französischen Premiumbezeichnung Haute Cuisine glänzen kann, erst mal fehl am Platz. Aber wenn es einen geschickten kulinarischen Schachzug gibt, um das angeschlagene deutsch-französische Verhältnis wieder zu kitten - dann ist es das Hamburger Fischbrötchen.

Auf den ersten Blick erzählt dieses Foto eine Geschichte von Widerwillen und Kampf mit dem Objekt, aber man sollte in diesem Fall die Macht der Bilder nicht überschätzen. Der Biss ins Brötchen ist kein Augenschmaus. Wer sich für den Biss entscheidet, muss es mit Entschlossenheit tun. So ein bisschen vorsichtig am knackigen Brötchenmantel rumknabbern geht nicht. Der Biss muss sitzen, sonst wird das nichts mit dem stilvollen Verschlingen. Ob der Präsident seinem Nachbarn Scholz "Délicieux!" zugeraunt hat? Vielleicht nicht gleich, vielleicht sehr leise. Jedenfalls vereint die gemeinsame Arbeit am kulinarischen Gegenstand und überwindet mühelos die kulturellen und politischen Gegensätze. Jeder Mensch sieht ein bisschen selbstvergessen, raubtierhaft und meinetwegen auch bescheuert aus, wenn er seine Zähne ins Brötchen malmt. Fürs erste Rendezvous ist diese Speise deshalb nicht geeignet, aber für Menschen, die keine Geheimnisse mehr voreinander haben sollten, ist sie ideal. Wir haben das zusammen weggeputzt!

Da können die genießerischen Franzosen ausnahmsweise nicht mithalten. Man könnte das EU-weit anwenden: Die Niederländer könnten ihren Trumpf ausspielen, die Frikandel spezial, die Italiener eine Pizza Surprise reichen, die Türken Öko-Kebap und die Schweden tonnenweise Köttbullar von Ikea anliefern lassen. Und transatlantisch ist der US-Burger ohnehin nicht zu toppen. Sich zusammenschmatzen und zusammenmampfen statt sich immer nur langweilig zusammensetzen oder zusammenkommen - das sollte bei der Diplomatie öfter eingebracht werden. Der Erfolg ist übrigens auf anderen Bildern von Macron und Scholz zu sehen. So entspannt zusammen lachen hat man die beiden selten gesehen. Denn sie wussten, dass jedes noch so dicke Brötchen irgendwann mal gegessen und jeder Drops gelutscht ist.

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