In Finnland ist die Zahl der Tötungsdelikte im vergangenen Jahr stark angestiegen - und die Behörden vermuten als einen wichtigen Grund hinter dem Anstieg die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns. Der öffentlich-rechtliche Sender YLE veröffentlichte diese Woche Zahlen der nationalen Polizeibehörde, wonach es in Finnland 2020 insgesamt 489 versuchte und erfolgreiche Tötungsdelikte gab, verglichen mit gerade einmal 397 im Jahr zuvor. 33 Menschen wurden im Jahr 2020 ermordet, 57 weitere fielen einem Totschlag zum Opfer.
Die Zahlen sind um knapp ein Viertel höher als 2019 - in den Jahren zuvor waren sie zurückgegangen. Man habe dem Trend der letzten Jahr zufolge eigentlich "20 bis 30 Prozent weniger Tötungsdelikte" erwarten dürfen, sagte der Kriminologe Miikka Vuorela von der Universität von Ostfinnland dem Sender YLE. Einen besonders starken Anstieg gab es im Frühjahr und Frühsommer letzten Jahres, als die finnische Regierung im März wegen der Corona-Pandemie den Ausnahmezustand ausrief, der drei Monate lang andauerte.
Österreich:Verdacht auf mutierte Virusvariante in Tirol
Die Öffnung der Skigebiete wird in Österreich viel diskutiert. Dass nun bei mehreren aus Großbritannien eingereisten Skilehrern die Virus-Mutation B.1.1.7 vermutet wird, lässt die Kritik nicht leiser werden.
Finnland reagierte besonders früh und streng auf die Pandemie und wird dafür bis heute mit niedrigen Covid-19-Infektions- und -Sterbezahlen belohnt. Gleichzeitig scheint der Lockdown zumindest mancherorts zu Bedingungen beigetragen zu haben, die Gewalttaten begünstigen. "Im Frühjahr wurde die Gesellschaft dichtgemacht, Leute wurden freigestellt und entlassen. Das führte zu finanzieller Unsicherheit und Stress", sagt Miikka Vuorela, der mögliche Zusammenhänge zwischen Pandemie und Verbrechen erforscht. Unterm Strich, meint er, habe sich der Notstand deshalb in einer Zunahme von Gewalttaten widergespiegelt.
Ähnliche Trends wurden auch in anderen Ländern mit unterschiedlichen Corona-Strategien beobachtet, so berichten auch in den USA verschiedene Städte und Regionen von einem starken Anstieg bei Gewaltdelikten und Morden. In Finnland allerdings legt nun erstmals die nationale Polizei Zahlen und Einschätzungen zu dem Phänomen vor.
Alkoholkonsum hat sich mehr in die eigenen vier Wände verlagert
Schon im vergangenen Jahr hatten die Behörden in Helsinki eine Zunahme bei Drogenmissbrauch, Beziehungskonflikten und psychischen Erkrankungen als wichtige Faktoren in dem Anstieg der Gewalttaten ausgemacht. "Der Alkoholkonsum hat sich zunehmend in die eigenen vier Wände verlagert", wird Polizeiinspektor Pekka Heikkinen von YLE zitiert. Auch das habe die Situation verschärft: "Wenn es zu Krach kommt, dann ist da keiner, der dazwischengeht."
Generell hat der finnischen Polizei zufolge der Drogenmissbrauch zugenommen im vergangenen Jahr. Das Gesundheitsministerium wies 2020 bei einer Untersuchung von Drogenrückständen im Abwasser von Helsinki Rekordwerte von Amphetaminen nach. Und zum ersten Mal in der Geschichte zogen im vergangenen Frühjahr finnische Polizisten mehr Autofahrer wegen Drogenmissbrauchs aus dem Verkehr als wegen Alkoholkonsums. Sorge bereitet den Behörden, dass die Täter bei Gewaltdelikten immer jünger werden. Die Polizei von Ostuusimaa hatte bei mindestens einem Dutzend der Taten Minderjährige als Verdächtige identifiziert.
Eine gute Nachricht gibt es auch: Im Spätherbst und zum Winterbeginn sank die Zahl der Fälle wieder.