Fall Susanna F.:Anruf aus Erbil

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Fall Susanna: Der mutmaßliche Täter wird aus dem Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden abgeführt. (Foto: Thorsten Wagner/imago)

Bundespolizei-Chef Dieter Romann erklärt vor dem Innenausschuss des Bundestages die Rückholaktion von Ali B. Innenminister Seehofer sei laufend informiert worden. Trotzdem gibt es offene Fragen.

Von Susanne Höll, Frankfurt, und Ronen Steinke, Berlin, Berlin/Frankfurt

Der Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, hat sich gegen den Vorwurf der Freiheitsberaubung verteidigt. Am Samstag war Romann in die nordirakische Stadt Erbil geflogen und hatte dort auf zweifelhafter juristischer Grundlage einen flüchtigen mutmaßlichen Straftäter abgeholt - jedoch ohne diesen zu fesseln oder eine Form von Widerstand brechen zu müssen, so beteuerte Romann am Mittwoch vor dem Innenausschuss des Bundestages. Vielmehr habe der junge Iraker, der mutmaßliche Mörder der 14-jährigen Susanna F., nicht einmal protestiert, als er von Beamten der nordirakisch-kurdischen Sicherheitskräfte ins Flugzeug hineingeführt und dort an Romann und die ihn begleitenden Vollzugsbeamten der Bundespolizei-Spezialeinheit GSG 9 übergeben worden sei.

Die deutschen Beamten seien unbewaffnet gewesen. Sie hätten den 20-jährigen Ali B. ohne Zwangsmittel nach Deutschland begleitet. Lediglich ein sogenannter Sky Marshall in dem Lufthansa-Flieger - ein Sicherheitsbegleiter zur Verhinderung von Flugzeugentführungen also - sei bewaffnet gewesen, habe sich aber nicht zu erkennen gegeben.

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Deutsche Polizisten hatten den Tatverdächtigen Ali B. aus Erbil zurück nach Deutschland geholt. Für den zu erwartenden Prozess könnte von Bedeutung sein, ob die Bundespolizei dabei gemäß der deutschen Rechtslage gehandelt hat.

Von Nico Fried

Erst nach der Ankunft am Flughafen Frankfurt habe auf dem Rollfeld die hessische Polizei mit Waffen und Handschellen gewartet. Diese habe dem Tatverdächtigen Ali B. eröffnet, dass er mit Haftbefehl gesucht werde, und sie habe ihn dann erstmals gefesselt. Eine Auslieferung von Ali B. an Deutschland war zu diesem Zeitpunkt von den zuständigen Stellen weder beantragt noch bewilligt gewesen - deshalb hatte am Dienstag ein Anwalt eine Strafanzeige gegen Romann wegen Freiheitsberaubung erstattet.

Intensiv diskutiert worden ist in den vergangenen Tagen, inwiefern Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in die Vorgänge involviert war. Dazu erklärte der Bundespolizei-Chef: Er, Romann, habe sogar von Erbil aus noch direkt mit dem Minister telefoniert, der CSU-Politiker sei also laufend informiert worden. Stephan Mayer (CSU), der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, fügte vor den Abgeordneten hinzu: Man stehe "hinter" der Aktion, auch wenn sie nicht "im Auftrag" des Innenministeriums erfolgt sei, da ein solcher Einsatz keinen vorherigen Auftrag benötige.

Wie die Sprecherin des Ministeriums erklärte, sei der Einsatz von Paragraf 4a des Bundespolizeigesetzes gedeckt gewesen. Der Paragraf zu "Sicherheitsmaßnahmen an Bord von Luftfahrzeugen" besagt unter anderem: "Die Bundespolizei kann zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Sicherheit oder Ordnung an Bord deutscher Luftfahrzeuge eingesetzt werden." Sie betonte, es sei kein Auslandseinsatz der Bundespolizei gewesen.

Das Auswärtige Amt räumte am Mittwoch in Berlin ein, über Medienberichte erfahren zu haben, dass das irakische Außenministerium die Überführung des 20-jährigen Ali B. für rechtswidrig hält, weil die Zentralregierung in Bagdad nicht vorab eingewilligt hatte. Allerdings habe es bislang keine offiziellen Proteste gegeben, sagte Außenamtssprecherin Maria Adebahr. "Uns ist keine Note zugegangen."

Der Hessische Landtag soll sich an diesem Donnerstag in einer Sondersitzung des Innen- und Justizausschusses mit der Frage beschäftigen, ob die hessischen Ermittler Gelegenheiten versäumt hatten, Ali B. schon vor seiner Flucht zu fassen. Die Innenexpertin der oppositionellen SPD, Nancy Faeser, sagte, sie wolle wissen, ob die Polizei zu zögerlich nach Susanna F. gesucht habe, die bereits am 23. Mai von ihrer Mutter als vermisst gemeldet worden war. Die Polizei in Wiesbaden hatte zuletzt erklärt, Susanna F. habe öfter die Schule geschwänzt, zudem habe es einen Hinweis gegeben, sie sei ins Ausland gereist.

Daneben gibt es den Vorwurf, dass die Polizei nicht zügig den Hinweis einer Bekannten von Susanna F. prüfte, wonach das Mädchen tot und verscharrt sei. Die Polizei hatte als Antwort bislang darauf verwiesen, dass diese Hinweisgeberin verreist gewesen sei.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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