Erich Honeckers Grab in Neunkirchen?:"Meine Haltung dazu: neutral"

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Auch Honeckers Eltern wurden in Neunkirchen beerdigt, auf dem Friedhof Wiebelskirchen. Nach Ablauf der Ruhezeit wurde das Grab im Jahr 1995 eingeebnet. (Foto: Werek)

Die Asche des DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker könnte in seinem saarländischen Geburtsort beigesetzt werden - was dort aber nicht alle freut.

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Unter den toten Mächtigen muss man Erich Honecker zum Lager der mächtigen Toten zählen, jener Menschen, die auch nach ihrem Ableben noch imstande sind, Wirbel auszulösen. Gerade hat der Enkel des früheren DDR-Staatschefs, der Chilene Roberto Yáñez Betancourt, in einem Buch enthüllt, dass Honecker und seine Frau Margot nicht wie angenommen in Chile begraben seien. Ihre Urnen befänden sich bei einem Bekannten der Familie. Betancourt schlägt nun eine Beisetzung der Asche auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin vor, dort zeigte man sich aber wenig begeistert. Thomas Grimm, Mitautor des Buchs, sagt dagegen, Erich Honecker habe "in Deutschland seine letzte Ruhe finden" wollen - "am liebsten in seinem saarländischen Geburtsort in Neunkirchen". Jürgen Fried (SPD) ist dort Oberbürgermeister.

SZ: Herr Fried, die Überreste von Erich Honecker in Neunkirchen: Wäre das nicht eine Attraktion für Ihre Stadt?

Jürgen Fried: Na ja, ich bin da momentan relativ emotionslos. Wir lassen das jetzt mal auf uns zukommen.

Enthusiasmus klingt anders.

Wir haben ja eh keine Wahl. Die Rechtslage ist eindeutig: Wenn einer seiner Erben einen Antrag für eine Beerdigung bei der Stadt Neunkirchen stellen würde, dann müssten wir das so machen, weil Honecker hier geboren ist und laut Friedhofsordnung ein Recht auf eine Beisetzung hat. Aber es ist nicht so, sage ich mal, dass wir ihn hier unbedingt mit offenen Armen bestatten möchten.

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Denken Sie das Ganze doch mal aus touristischer Perspektive: die große Geschichte im kleinen Neunkirchen.

Da bin ich mir nicht so sicher. Folgendes Beispiel: Vergangene Woche war ein Vertreter unserer Partnerstadt Lübben im Spreewald hier, ehemalige DDR. Da habe ich gefragt, ob Honecker dort noch eine besondere Rolle spielt. Das ist verneint worden. Offensichtlich hat Honecker - zumindest nach der Wahrnehmung der Menschen aus Lübben - keine große Bedeutung mehr. Von daher glaube ich nicht, dass das jetzt ein, wie soll ich sagen, ein ...

... ein Wallfahrtsort für Kommunisten wird?

Das glaube ich nicht, die Zeit ist schon zu lange vorbei. Diejenigen, die Honecker durch einen Besuch noch ehren wollen würden, die sind sehr alt und werden immer weniger.

Schon mal von "Dark Tourism" gehört?

Ich kann mir denken, um was es geht.

Orte, die historisch mit Tod und Schrecken verbunden sind, üben oft eine besondere Anziehungskraft aus. Honecker war immerhin mitverantwortlich für allerlei Tragödien in der DDR, die Spitzeleien, die Mauer, den Schießbefehl, die Toten.

Sie kriegen mich trotzdem nicht dazu, dass ich sage: Aus touristischen Aspekten wär's interessant. Wenn es so sein sollte, ist es so. Aber es könnte ja auch das Gegenteil eintreten.

Was denn?

Vandalismus statt Tourismus. Dass Andersgesonnene Verwüstungen an diesem Grab anrichten. Gerade in der heutigen Zeit. Wenn da jede Nacht jemand über den Zaun klettert und den Grabstein umhaut, dann hat man auch viel Ärger. Der Möglichkeit von Tourismus steht die Möglichkeit von Vandalismus gegenüber. Deswegen meine Haltung dazu: neutral.

Für einen Friedhof gibt es doch nichts Größeres als berühmte Tote.

Ja, für Père Lachaise. In Neunkirchen gibt es allerdings leider nicht so viele berühmte Leute, außer Günter Rohrbach und Stefan Kuntz. Aber beide sind Gott sei Dank noch lebendig.

© SZ vom 13.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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