Denkmal in Wien:"Wasser ergibt eine Badende, Gesteinsbrocken eine Trümmerfrau"

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Die Skulptur an der Mölker Bastei in Wien hat eine Vorgeschichte. (Foto: Kanisfluh/Wikimedia Creative Commons)

Unter Beteiligung hochrangiger FPÖ-Politiker wird in Wien eine "Trümmerfrau"-Skulptur eingeweiht. Doch warum nur ist sie nackt? Ein Anruf beim Künstler.

Interview von Martin Zips

Seit Jahren wurde in Wien über ein Denkmal für die sogenannten Trümmerfrauen des Zweiten Weltkriegs diskutiert. Nun wurde es auf einem Privatgrundstück an der Mölker Bastei unter Beteiligung hochrangiger FPÖ-Politiker und des österreichischen Bundesheeres enthüllt. Die Bronzeskulptur des aus München stammenden und im Mühlviertel lebenden Künstlers Magnus Angermeier hat allerdings eine Vorgeschichte.

SZ: Herr Angermeier, stimmt es, dass Ihre "Trümmerfrau" ursprünglich mal als "Badende" gedacht war?

Magnus Angermeier: Das macht doch nichts. Wieso sollte man nicht bereits existierende Entwürfe verwenden? Das machen alle. Auch die Musiker.

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Trotzdem klingt das jetzt schon ein bisschen nach Recycling.

Sehen Sie: Wenn Sie die "Trümmerfrau" mit meinem Entwurf für die "Badende" aus den 1990er-Jahren vergleichen, so werden Sie feststellen, dass der Kopf jetzt eine leichte Drehung hat. Ich habe die Figur also weiterentwickelt. Ihr Blick auf das Siegesdenkmal gegenüber stellt uns die Frage nach dem Sinn von Krieg, Sieg und Niederlage. Eine Skulptur definiert sich auch immer aus ihrem Umfeld: Wasser ergibt eine Badende, Gesteinsbrocken eine Trümmerfrau.

Interessant ist, dass die "Trümmerfrau" - von hinten betrachtet - dem Beobachter einen recht tiefen Einblick in ihren Gesäßbereich gewährt. Daher erinnert sie vielleicht doch eher an eine Badende.

Die Figur ist eine Allegorie, versinnbildlicht die Weiblichkeit, geht über die Trümmerfrau hinaus. Ursprünglich hatte ich bei dem Entwurf Albrecht Dürers "Melencolia" vor Augen. Wenn schon, dann ist es eher dieser überaus vielschichtige Meisterstich, an dem ich mich orientierte.

Magnus Angermeier, 1949 in München geboren, beschäftigt sich mit der "Magie von Form und Raum". An der Uni Linz unterrichtete er zehn Jahre lang Landschaftsarchitektur. Sein Taufpate ist der bayerische Künstler Fritz Koenig. (Foto: privat)

War es für Sie da nicht befremdlich, dass ein Bläserquintett der Bundesheergarde bei der Enthüllung spielte?

Das ist die Sache der Veranstalter. Zwei Kirchenvertreter und eine Zeitzeugin waren ja auch anwesend.

Die Festrede hat Herr Strache von der FPÖ gehalten. Eine Parteifreundin von ihm hatte Sie als Gestalter des Denkmals vorgeschlagen.

Die kenne ich schon seit vielen Jahren. Aber über Politik reden wir nicht hauptsächlich. Eher über Kunst und Kultur. Ich bin Künstler. Aus der Politik halte ich mich raus.

Geht das denn so einfach? Mit dem Mahnmal scheinen Sie ja nicht schlecht verdient zu haben. Von 60 000 Euro ist die Rede.

Zieht man das Material ab, bleibt mir nicht viel.

Eigentlich war die "Badende" ja für einen Brunnen vor dem Altenheim in Leonding gedacht. War der Entwurf dem dortigen Bürgermeister denn zu nackt oder zu teuer?

Beides nicht. Der Bürgermeister war einfach chaotisch. Für mich ist aber eh das Entscheidende, dass diese in Wien aufgestellte Figur für das Weibliche insgesamt steht. Auch meine Mutter wurde nach dem Krieg als Kontrolleurin bei der Straßenbahn verpflichtet, obwohl sie Abitur hatte und gerne was anderes gemacht hätte. Und mein Vater hat es während des Russlandfeldzugs nur wegen einer Verletzung gerade noch rechtzeitig lebendig nach Hause geschafft. Meine Skulptur, schreiben Sie das, ist ein Mahnmal gegen alle Kriege. Und immer sind es Frauen, welche nach Katastrophen das Leben wieder in geordnete Bahnen leiten.

© SZ vom 05.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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