Hans-Martin Hauskeller war Schulkind, als das Inferno über Niedersachsen zog. Im August 1975 gingen in der Lüneburger Heide und im Wendland mehr als 8000 Hektar Wald, Moor und Heide in Flammen auf, sieben Menschen starben. Es waren die schlimmsten Waldbrände der bundesdeutschen Geschichte, mit schrecklichen Bildern, wie sie gerade vor allem aus Griechenland zu sehen sind. Inzwischen ist der promovierte Diplom-Forstwirt Hauskeller Forstamtsleiter in Unterlüß im damaligen Unglücksgebiet. Er sagt: "Es fängt immer mit Bodenfeuer an."
Das heißt: Erst brennt das Unterholz, dann brennen die Bäume.
Schon lange war die Gefahr nicht mehr so groß wie jetzt. Die Hitzewelle über Europa hat auch Deutschland im Griff, der Norden erlebt den hartnäckigsten Sommer seit geraumer Zeit. In Gegenden wie der Lüneburger Heide scheint seit April meistens die Sonne, geregnet hat es kaum, seit Juni fast gar nicht mehr. Das freut Freizeitbürger, denen es hierzulande jahrelang den Urlaub verregnet hatte - Landwirte und Fachleute wie Hauskeller schlafen dagegen schlecht, weil sie die möglichen Folgen für Mensch, Tier und Natur sehr gut kennen. Die Wälder und Böden sind so trocken, dass schon ein Funke reicht.
Zu den Klassikern gehören die achtlos weggeworfene, noch glimmende Kippe, das unbedarfte Lagerfeuer am falschen Ort oder die Maschine. In Uetze bei Hannover brannte am Sonntag ein Feld mit sieben Hektar Sonnengerste ab, nachdem Kinder nebenan Maiskolben gegrillt hatten. Der Unfall hätte noch wesentlich schlimmer ausgehen können. Allein in der Waldbrandzentrale Lüneburg wurden in diesem Jahr bis Dienstag fast 350 Waldbrände gemeldet, mehr als vier pro Tag. In den Jahren zuvor waren es in der gesamten Saison durchschnittlich kaum 130 gewesen.
In dieser brutheißen Woche ist fast das gesamte ländliche Bundesgebiet gefährdet, wie auch dem bunten Waldbrandgefahrenindex des Deutschen Wetterdienstes zu entnehmen ist. Die rote Alarmstufe 4 gilt auf dessen Karte für weite Teile der nördlichen Republik bis hinunter nach Baden-Württemberg. Die dunkleren Flecken für die extremste Bedrohung, Alarmstufe 5, finden sich in Sachsen-Anhalt, wo bereits 80 Hektar Wald verkohlt sind, das entspricht der Fläche von mehr als 100 Fußballplätzen. Das gab es in dieser Größenordnung dort seit 1990 nicht mehr. Und die Hotspots finden sich in der Region der Südheide, wo Leute wie Hans-Martin Hauskeller im Einsatz sind.
Ein Amt beklagt, Bund und Länder hätten kein einziges Löschflugzeug
Wie gut also ist Deutschland gerüstet, vier Jahrzehnte nach der Katastrophe von einst? Eher schlecht, wie manche Nachrichten vermuten lassen? Aus dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heißt es, Bund und Länder hätten kein einziges Löschflugzeug. Auch hört man immer wieder, dass die Freiwillige Feuerwehr um ihr Personal kämpft, das macht ländlichen Gegenden zu schaffen.
In den besonders ausgedörrten Gefilden Niedersachsens dagegen gibt es offenbar erhebliche Fortschritte. Helikopter finden sich im Zweifel bei der Bundeswehr am Fliegerhorst Faßberg bei Celle. Löschflugzeuge, wie sie in Kalifornien, Portugal oder Südfrankreich Standard sind, fehlen da zwar ebenfalls, aber Hans-Martin Hauskeller weist darauf hin, dass solche Maschinen ja auch immer wieder Wasser aufnehmen müssten, ohne allzu weit fliegen zu müssen, was nur an größeren Seen oder an der Küste funktioniert. Die Niedersachsen haben trotzdem gelernt, seit einst die Heide zu Asche zerfiel.
Die Feldwege wurden breiter, die Löschfahrzeuge geländegängiger. Man pflanzte mehr Laubbäume, weil solches Holz unter anderem schlechter brennt als Nadelhölzer. "Löwe" nennt sich dieses Programm, "Langfristige Ökologische Waldentwicklung". Außerdem gibt es ein Überwachungssystem, Kameras liefern Informationen nach Lüneburg, das hilft den Aufpassern in Städten und Dörfern.
Drei bis fünfmal täglich rückten sie derzeit aus, berichtet der Celler Kreisbrandmeister Volker Prüsse. Er lobt die Besonnenheit der Leute, sie achteten angesichts der Lage derzeit besser auf Zigaretten und andere Risiken. Die Feuerwehr aus Niendorf ist sogar mit neun Gefährten nach Schweden übergesetzt, um den Kollegen dort beizustehen. Hans-Martin Hauskeller aus Unterlüß sieht die schwedischen und griechischen Brände mit Schrecken im Fernsehen. Und hofft, dass es möglichst bald wieder regnet.