Kriminalität:Warum sich Bankräuber in Dänemark zur Ruhe setzen

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Das Thema der Olsenbande-Filme: Die kleinen Bankräuber werden gejagt, während die wirklich schlimmen Ganoven an der Spitze der Gesellschaft sitzen. (Foto: imago/Dean Pictures)

Wenige Verbrechen gehören so zur dänischen Folklore wie der Banküberfall. Doch 2022 gab es in dem Land keinen einzigen Fall.

Von Kai Strittmatter

Wenige Verbrechen gehören so zur dänischen Folklore wie der Bankraub. Die Olsenbande stolperte von 1968 an drei Jahrzehnte lang unter Führung des Oberganoven Egon Olsen ("Ich habe einen Plan!") in zahlreichen Filmen von Tresor zu Tresor, um am Ende einer jeden Episode doch wieder in der Gefängniszelle zu landen.

Im wahren Leben beherrschten fast gleichzeitig die Linksradikalen von der Blekingegadebanden, der Blekingestraßenbande, die Schlagzeilen: Sie wurden mit ihren im Namen des Antiimperialismus begangenen Raubzügen zwischen 1972 und 1988 zu Dänemarks berüchtigtsten und am Ende auch meistbestaunten Bankräubern, hatten sie doch den Großteil der erbeuteten Millionen direkt weitergeschickt an die revolutionären Genossen von der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP). Ihr Versteck in Kopenhagens Blekingestraße flog erst auf, als sie bei ihrem letzten Überfall einen jungen Polizisten erschossen.

Nun aber setzen sich die Bankräuber zur Ruhe. Im Jahr 2000 noch hatte es 221 Banküberfälle in Dänemark gegeben, nach 2017 waren es dann keine zehn mehr pro Jahr, 2021 traf es nur mehr eine einzige Bankfiliale, in Deutschland waren es im selben Jahr immerhin noch 28. Und im soeben zu Ende gegangenen Jahr 2022? Gab es exakt null. Erstmals in ihrer Geschichte verzeichnete die Branchenorganisation Finans Danmark keinen einzigen Bankraub im Land. Eine "fantastische" Nachricht nannte das der stellvertretende Vorsitzende der Bankengewerkschaft Steen Lund Olsen, der die Überfälle als "extrem traumatisierend" für die Angestellten beschreibt.

Auch Kinder und Jugendliche sind in Dänemark längst mit Bankkarte unterwegs

Der klassische Bankraub stirbt also aus. Die Gründe sind in Dänemark zum Teil die gleichen wie in Deutschland: Die Zahl der Bankfilialen sinkt, die Überwachung wurde verstärkt, große Geldschränke finden sich in nur noch wenigen Filialen. Die Danske Bank, Dänemarks größtes Geldhaus, hat eigenen Angaben zufolge nur noch einen in Kopenhagen und einen in Aarhus.

Die Danske Bank, Dänemarks größtes Geldhaus, in Kopenhagen. Hier steht einer der letzten großen Geldschränke im Land. (Foto: Mads Claus Rasmussen/AFP)

In Dänemark kommt noch eines hinzu: Das Land ist - wie seine skandinavischen Nachbarn auch - dem Rest Europas Meilen voraus beim Weg in die digitale und bargeldlose Gesellschaft. Auch Kinder und Jugendliche sind dort längst mit Bankkarte unterwegs, mit der sich auch die Zimtschnecke beim Bäcker bezahlen lässt. Rechnungen, Einkäufe und auch Transaktionen mit dem Nachbarn lassen sich blitzschnell mit der Handy-App MobilePay erledigen. Es findet sich schlicht nirgends mehr Bargeld, das sich stehlen ließe.

Was nicht heißt, dass der Olsenbande unsere Zeit ganz fremd wäre. Das Thema, das sich durch alle ihre 14 Filme zieht, ist dies: Die kleinen Gauner werden gejagt und eingesperrt, während die wirklich schlimmen Ganoven an der Spitze der Gesellschaft sitzen und oft unbehelligt die ganz großen Dinger drehen.

Die Danske Bank etwa hat das Feld der Bankenkriminalität vor ein paar Jahren erst auf ein ganz neues Niveau gehoben: Ihre Filiale in Estland war acht Jahre lang Drahtzieher im größten Geldwäscheskandal Europas. Die Bank schleuste bis 2016 mehr als 200 Milliarden Dollar russischer Gelder ins US-Finanzsystem. Vor drei Wochen nun bekannte sie sich in den USA der Verschwörung zum Betrug für schuldig und erklärte sich bereit zur Zahlung einer Buße von zwei Milliarden Dollar.

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