Kredite kommen für die junge Chefin Ines Lapucha nicht infrage, sie hat ihren Traum - ein eigener Blumenladen im Münchner Westend - von Anfang an aus Eigenkapital gestemmt. Umso größer war ihre Verzweiflung, als Corona zur Pandemie wurde und Geschäfte wie das ihre zu bedrohen begann: Ist der Traum jetzt geplatzt? Wie geht es weiter mit der Miete? Mit ihrer neuen Angestellten? Was wird aus den liebevoll arrangierten Sträußen und Pflanzen? Es folgten ein Ausverkauf und Tränen, danach "eine Woche Trancezustand", wie sie sagt. Und dann kam eine Idee.
Die Idee ist simpel und gerade allgegenwärtig: Ausliefern, in ihrem Fall Blumensträuße, erst mal, damit überhaupt Geld fließt, gegen das wuchernde Gefühl der Machtlosigkeit. Das Besondere an den Sträußen von Ines Lapucha ist: Der Besteller kann sie nicht mitgestalten. Es kommt ein Überraschungsstrauß im unverkennbaren Stil der "Tischerie". Ines Lapucha rechnete mit 15, vielleicht 20 Bestellungen ihrer treuesten Kunden. Es kamen 231.
SZ-Kolumne "Alles Gute":Vier Grüppchen auf dem Friedhof
Eine Beerdigung in diesen Tagen: Wie soll das gehen? Anders als sonst. Am Ende entsteht sogar ein schöner Moment, den es sonst vielleicht nicht gegeben hätte.
Seither heißt es Blumen binden, ausfahren, Blumen binden, ausfahren und noch mal von vorn. Die Bestellungen ebben nicht ab. Und die Erlebnisse ihrer Auslieferungstouren illustrieren die Gesellschaft in Corona-Zeiten: die obenrum top gestylte Geschäftsfrau, die untenrum Jogginghose und bunte Socken trägt. Oder der Mann, der sich mit einem Astronautenhelm vor Viren schützt. Und "zwei Freundinnen, die sich gegenseitig über mich Blumen schickten und verwirrt waren, als ich dann bei ihnen vor der Tür stand".
Der neue Geschäftszweig soll weiterlaufen
Die Ausgangsbeschränkungen und der Frühling passen nicht zusammen, sie rufen geradewegs nach einem schönen Strauß Blumen, einem Stück Draußen für das Drinnen. Aber ihre Sträuße sind mehr als das, sie überbringen die herzzerreißendsten Nachrichten, Liebeserklärungen, ein "Bleib gesund", ein Dankeschön. Fünf Menschen, die sie beliefert, sind todkrank und erleben es vielleicht nicht mehr, dass sie rausgehen oder wieder besucht werden dürfen. Ines Lapucha sagt jetzt, sie fühle sich stolz, und "sehr privilegiert". Und egal wie es weitergeht, klar ist: Der neue Geschäftszweig der Auslieferungen wird weiterlaufen, auch wenn der Laden irgendwann wieder öffnen darf.
In jeder Krise passiert auch Gutes, selbst wenn man es nicht immer auf den ersten Blick erkennen kann. In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure täglich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute