Steigende Lebensmittelpreise:Wir buttern das Brot mit Butter

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Ob als kleiner Würfel oder im 250-Gramm-Barren, ob frisch erworben oder schon etwas ranzig. Die Entscheidung fällt leicht: In dubio pro Butter. (Foto: imago premium/imago images/Westend61)

Bei kaum einem anderen Produkt sind die Preise zuletzt so stark gestiegen wie bei der Butter. Dabei ist es wichtig, dass sich jeder das verzehrbare Gold leisten kann. Ein Loblied.

Von Marcel Laskus

Wenn feste Materie zu flüssiger Materie wird, kann das schön aussehen und im Ergebnis doch enttäuschen. Zum Beispiel diese bunten Badewannen-Kugeln, die sich ansehnlich im heißen Wasser auflösen, jedoch nur selten echte Verspannungen beseitigen. Oder Kopfschmerztabletten. Mit prickelndem Geräusch verschwindet so eine Tablette telegen im Wasserglas, getrunken schmeckt sie dann aber nur wie Scheibenwischerflüssigkeit. Bei der Butter ist das anders.

Schmilzt ein Stück Butter, und wird man Zeuge davon, wie aus Gelb langsam Gold wird, dann ist die Welt für einen Moment ganz friedlich. Noch friedlicher ist sie, wenn man das Gold anschließend verzehren kann, auf Salzkartoffeln, auf Spargel oder als wiederbelebende Maßnahme für ein viel zu hart gewordenes Brötchen.

Nur: Mit einem Teil dieser Leichtigkeit ist es so langsam vorbei. Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine steigen die Preise für Benzin, für Strom und für Brokkoli. Aber so viel teurer wie die Butter, nämlich um 56 Prozent, wurde laut Statistischem Bundesamt im Vergleich zum Vorjahr kaum ein anderes Produkt. Der erschwingliche Luxus in Barrenform, der wie kaum ein anderes Lebensmittel jede geschmackliche Mittelmäßigkeit anreichern kann, entwickelt sich zu etwas Exklusivem.

Sechs Kilo Butter verzehrt der Deutsche jedes Jahr

Schade ist das vor allem deshalb, weil der Mensch ohne seine Butter nicht kann. Gut sechs Kilogramm Butter verzehrt der Deutsche jedes Jahr. Zart vom Block gesäbelt, dick aufgetragen unter Wurst und Nutella, gekringelt auf dem Frühstücksbuffet, verrührt in einer Kuchenform, etwas ranzig im Kühlschrank der Sechser-WG. Egal in welchem Zustand - im Zweifel entscheidet man sich gegen das Mindesthaltbarkeitsdatum. Und für die Butter. Weil sie einen Vertrauensvorschuss hat. Weil sie das Süße verlässlich süßer macht und das Salzige verlässlich salziger.

Butter ist Geschmacksträger, das weiß jeder. Aber die Verantwortung, die dieses Lebensmittel auch für den Menschen trägt, ist noch viel größer. Sie hilft dem nicht immer gefühlsbetonten Deutschen, mit der Redewendung "alles in Butter" sein Innerstes mitzuteilen. Es gibt sogar eine recht bekannte deutsche Metalcore-Band, die ihren Erfolg zu Teilen auch ihrem Namen verdanken dürfte: We Butter the Bread with Butter. Und wären es deutsche und nicht französische Zeichner gewesen, die Asterix und Obelix erschaffen haben, vermutlich hätte Obelix in einen Topf mit Butter fallen müssen. Wobei: Die Franzosen verzehren pro Jahr noch zwei Kilogramm mehr Butter als die Deutschen.

Der goldene Brotbelag scheint immun gegen Aufrufe zu mehr Gesundheitsbewusstsein und Warnungen vor Cholesterin: Seit Jahrzehnten verzehrt der Deutsche seine Butter auf gleichbleibend hohem Niveau. 1999 lag der Verzehr auch schon mal bei fast sieben Kilogramm im Jahr, 2009 bei 5,6. Doch über einen längeren Zeitraum betrachtet, bleibt der Konsum konstant. Die Butter passt zur vegetarischen Gesellschaft, die sich vom Fleisch allmählich abwendet, der Veganismus aber zu weit geht.

Butter als Luxusgut? Kein gutes Zeichen

Sogar in der besonders zeitgemäßen Ernährung hat die Butter ihren Platz erobert. Der sogenannte Bulletproof Coffee wird von viel beschäftigten Menschen zu sich genommen, die keine Zeit haben für ein Frühstück, bei dem man kauen muss. Das Getränk besteht aus klassischem Kaffee, einem speziellen Öl - und einer ordentlichen Portion Butter. Diese soll die Fettverbrennung anregen und die Ausdauer der Körpers unterstützen. Aber wenn die Bulletproof-Trinker ehrlich wären, würden sie zugeben: Dabei zuzusehen, wie sich die Butter meditativ im Kaffee auflöst, darum geht es eigentlich.

Nun also wird so ein Getränk, zumindest für Menschen mit kleinem Girokonto, immer mehr zu etwas, das man sich leisten können muss. Und das ist kein gutes Zeichen: Deutschland ist zwar entfernt davon, selbst aktiv im Krieg zu sein, und doch stößt man als Freund der Butter irgendwann auf das, was Kurt Tucholsky einst über seine Erfahrungen aus Kriegszeiten schrieb, in denen Lebensmittel ja immer teuer und knapp werden. Es deutet auf eine unangenehme Butter-Überheblichkeit hin: "Wer die Butter hat, wird frech."

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