SZ-Kolumne "Bester Dinge":Braunschweiger Nächte sind frei

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(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Zwei Männer steigen nachts in ein Straßenbahndepot ein, fahren mit einer Tram, filmen sich dabei und lassen sogar Fahrgäste zusteigen. Die Staatsanwaltschaft reagiert äußerst entspannt.

Von Oliver Klasen

Braunschweig - das ist den meisten Leserinnen und Lesern vermutlich bisher unbekannt - ist ein Hort des ungehemmten laissez-faire, der entfesselten Entfaltungsfreiheit, sodass es allen FDP-Anhängerinnen und -Anhängern ein wahres Fest sein muss. Die Staatsgewalt in der niedersächsischen Großstadt, das ließ sich dieser Tage aus einer Meldung des NDR herauslesen, gibt sich äußerst milde. Da steigen zwei junge Männer nachts in das Depot der Straßenbahngesellschaft ein, bemächtigen sich einer Tram, fahren durch die Stadt, filmen sich dabei und lassen sogar Fahrgäste zusteigen. Und was tut die Anklagebehörde? Nix.

Es sei keine Schranke vorhanden und die Straßenbahn nicht verschlossen gewesen, also sei die Tat weder Einbruch noch Diebstahl, so die Staatsanwaltschaft. Die Fahrt selbst sei nicht strafbar, in der Nacht sei wenig los gewesen, daher liege kein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr vor. Für das Steuern der Tram brauche es keine amtliche Erlaubnis und um das Ganze als Hausfriedensbruch anzuklagen, fehle das "öffentliche Interesse", sagt der Oberstaatsanwalt. Möglicherweise werden die beiden 23-Jährigen noch wegen "unberechtigter Personenbeförderung" belangt. Das ist aber nur eine Ordnungswidrigkeit.

Bevor jetzt Nepper, Schlepper und Bauernfänger allesamt nach Braunschweig aufbrechen, ein paar Tipps an andere Städte, um im Wettbewerb um die Hauptstadt der Libertinage angemessen mithalten zu können: In München ist künftig das Weißwurstessen nach zwölf Uhr mittags erlaubt, in der Düsseldorfer Altstadt wird an den Theken von nun an auch Kölsch ausgeschenkt und in Berliner Spätis darf jetzt zur Begrüßung "Grüß Gott" gesagt werden. Es lebe die Freiheit!

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