SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Ich will auf jeden Fall schneller als 130 sein"

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106,01 Kilometer pro Stunde - das ist Marcel Pauls Weltrekord auf einem Standard-Bobbycar, aufgestellt im Mai 2022. Für sein neues Projekt hat er ein Rutschauto mit einem Elektromotor versehen. (Foto: Frank Rumpenhorst/picture alliance/dpa)

Der Elektrotechnikstudent Marcel Paul aus Hessen arbeitet mit seinem E-Bobbycar auf den Weltrekord hin. Wie kommt man auf so eine Idee?

Interview von Joshua Beer

Am 10. August wird über den Hockenheimring in Baden-Württemberg ein recht kurioses Renngefährt düsen, ein aufgemöbeltes Bobbycar mit Elektromotor. Der Fahrer ist Marcel Paul, Student und Bastler aus der hessischen Wetterau. Er will einen Weltrekord aufstellen, den es bislang noch gar nicht gibt: die schnellste Fahrt mit einem E-Bobbycar.

SZ: Herr Paul, Sie sind professioneller Bobbycar-Fahrer. Wie oft trainiert man da in der Woche?

Marcel Paul: Gar nicht mal viel. Früher habe ich extrem viel trainiert, als ich Rennen gefahren bin. Vor einer Saison drei Monate lang jedes Wochenende.

Reden wir hier noch von den roten Plastikautos, die Kinder mit den Füßen anschieben?

Nicht ganz, die sind komplett modifiziert, richtige Renngeschosse, die 80, 90 km/h fahren. Vom Bobbycar ist da eigentlich nur noch der Korpus übrig, der auf einer Metallplatte aufgebaut ist. Je nach Klasse wiegt das Fahrzeug zwischen 20 und 40 Kilogramm. Je schwerer, desto schneller. Das ist wie ein Seifenkistenrennen: Man fährt immer zu zweit gegeneinander, allerdings anspruchsvollere Strecken mit 90-Grad-Kurven.

Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal auf einem Bobbycar saßen?

Ich glaube, drei Jahre. Meine Mutter erzählt, ich sei damit über den Hof gefahren. Dann war das erst mal weg. Ich wollte aber schon immer irgendwas Motorisiertes fahren, habe dann mit Kartfahren angefangen, doch der Sport ist für den Einstieg viel zu teuer. Später hat mir mein Vater ein Quad gekauft.

Und wie kommt man vom Quad zurück zum Bobbycar?

Schon damals in der 3., 4. Klasse, hatte ich extrem Spaß daran, irgendwas zu bauen. 2003 habe ich dann mit Kumpels angefangen, alles Mögliche umzubauen - Bobbycars, Dreiräder, Skateboards. Im Fernsehen lief gerade "Pimp my Ride", also Autotuning, und es war cool, die Bobbycars umzulackieren und andere Achsen dranzumachen, Lampen von meiner Modelleisenbahn und Räder vom City-Roller. 2005 habe ich von einem Bobbycar-Rennen erfahren, da bin ich hin und fand das total geil. Von da an habe ich an Meisterschaften teilgenommen, und zwei Jahre später wurde ich Weltmeister in der Juniorklasse.

Und irgendwann dachten Sie: Was fehlt, sind ein paar Weltrekorde?

Bei den Rennen habe ich so ein richtiges Faible für High Speed bei mir entdeckt. 2012 habe ich hier in Gedern, wo ich wohne, selbst eines ausgerichtet und den allerersten inoffiziellen Weltrekord aufgestellt: 115 km/h bergab, ohne Motor. Man muss es mal selbst gemacht haben. Das ist ein ganz anderer Adrenalinkick, wenn man 20 Zentimeter über dem Boden hängt in so einer Rennrodler-Haltung. Das Fahrzeug ist ja kleiner als man selbst. 2018 hat dann jemand meinen Rekord überboten mit einem Bobbycar mit Düsenantrieb, der war 4 km/h schneller. Da habe ich mich geärgert. Und vergangenes Jahr - da wurde das Bobbycar ja 50 Jahre alt - sagte ich mir: Komm, ich stelle jetzt mal zwei offizielle Weltrekorde auf.

Marcel Paul, 30, hat eine Ausbildung zum Feinmechaniker gemacht und studiert zurzeit dual Elektrotechnik bei einer Maschinenbaufirma. Mit ihr hat er auch das Konzept für das elektrische Bobbycar entworfen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

106,01 km/h mit dem originalen Bobbycar und 130,72 km/h mit einem für den Rennsport umgebauten. Alles beglaubigt vom Rekord-Institut für Deutschland . Und jetzt also die nächste Stufe: E-Bobbycar. Wie sind Sie darauf gekommen?

Zusammen mit einem Kommilitonen in einem Studienprojekt. Wir wollen die E-Mobilität voranbringen und zeigen, wie schnell so ein Miniaturfahrzeug mit einem E-Motor werden kann. Und ich will auf jeden Fall schneller als 130 sein.

Wie baut man so ein Ding?

Eigentlich wollten wir das klassische Bobbycar als Korpus verwenden, haben aber schnell gemerkt: Das ist zu klein. Also haben wir den Baby Porsche 911 genommen, der ist größer, schnittiger - und hat trotzdem die klassische rote Farbe. Die Firma, bei der ich studiere, hat den Unterbodenbau, die Felgen und den Lenker konstruiert, eine andere Firma den Akku. Nach einer ersten Testfahrt haben wir dann den Motor und die ganze Verkabelung eingebaut.

Wie wird die Rekordfahrt ablaufen?

Dreimal kann ich fahren. Das geht schnell. In einer alten Einstellung bin ich von null auf 100 in elf oder zwölf Sekunden gekommen. Deswegen brauche ich pro Fahrt weniger als eine Minute.

Sie tragen Helm und Schutzkleidung. Wie gefährlich ist Bobbycarfahren?

Weniger gefährlich als Motorradfahren, weil man da von weiter oben fällt, wenn man die Kontrolle verliert. Das Bobbycar ist eher wie ein Schlitten. Aber klar: Ich habe meine Rennlederkombi an, Handschuhe, Bremsschuhe. Meine letzte Rekordfahrt war deutlich gefährlicher, die Landstraße runter mit Bäumen links und rechts. Diesmal fahre ich mit Banden und an Grünflächen.

Was folgt nach dem E-Bobbycar-Rekord? Das schnellste autonom fahrende Bobbycar?

Erst mal will ich kein neues bauen. Doch wenn jemand auch nur in die Nähe kommt, meinen Rekord zu überbieten, werde ich natürlich nachziehen.

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