BGH-Urteil:Der Nachbar darf sägen

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Schwarzkiefern in der freien Natur dürfen sich ausbreiten, wie sie wollen. Aber wehe den Bäumen, die im Garten stehen und dem Nachbarn zu nahe kommen. (Foto: Andreas Pulwey/imago/McPhoto)

Der Bundesgerichtshof hat sein Urteil im Fall einer ausladenden Schwarzkiefer gefällt - und es sieht nicht gut aus für den Baum.

Von Martin Zips

Dass der Mensch Zeit seines Lebens nach jenem "seligen Gebiet" sucht, "wo der Freiheit ewig grüner Garten" blüht, das weiß man spätestens seit Friedrich Schiller. Wahrscheinlich ziehen gerade deshalb so viele aufs Land. Nur: Wartet im Grünen tatsächlich das Paradies auf sie?

Wir lesen: Ein Garten sollte - laut der deutschen Verkehrssicherungspflicht - zunächst einmal "umfriedet" sein. Stichwort Gefahrenabwehr. Der Nachbar könnte sonst in den Pool stürzen oder von einem Dackel angefallen werden. Einzelheiten dazu finden sich in der lokalen Einfriedungssatzung sowie im Bebauungsplan. Auch Katasteramt und Vermessungsdienst helfen hier gerne weiter!

Fünf Meter bis zur Grundstücksgrenze

Die Abstände wiederum, in denen neue Pflanzen zu setzen sind, werden in den Nachbarrechtsgesetzen geklärt. Für "großkronige" Bäume sind hier meist vier bis fünf Meter bis zur Grundstücksgrenze vorgesehen. Werden diese nicht eingehalten, so darf der Nachbar innerhalb einer Fünfjahresfrist die Beseitigung aller Neubepflanzungen verlangen. Nach Ablauf dieser Frist, und damit kommen wir schon zum aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, ist nur noch die Durchsägung überhängender Äste möglich.

Die Frage bleibt: Wer sägt?

Der BGH hat nun entschieden, dass sich auch der Nachbar am fremden Ast vergehen darf. Selbst wenn, wie in dem zu verhandelnden Fall aus Berlin, der Besitzer einer 40 Jahre alten sowie 15 Meter hohen Schwarzkiefer damit argumentiert, sein Baum könne durch die Eingriffe von nebenan entweder absterben oder umfallen. Womöglich sogar dem Nachbarn auf den Kopf. Nein, meint nun der BGH, der Nachbar darf Überstehendes grundsätzlich schon absägen - solange seinem Eingriff keine besonderen naturschutzrechtlichen Regelungen entgegenstehen. Den Fall wies der BGH damit ans Landgericht zurück.

Wie anders wäre alles wohl gelaufen, wäre die Schwarzkiefer ein Birnbaum. Denn dann hätte sich der Nachbar das (ihm freundlicherweise gratis zur Verfügung gestellte) fremde Fallobst jederzeit für eine herrliche Marmelade einstecken dürfen (ganz legal, siehe BGB, Paragraf 911). Was hätte er da gegen überstehende Äste haben sollen? Doch so bleibt es vielen Gartenbesitzern halt doch weiter verborgen, das von Schiller besungene "selige Gebiet". Denn vor lauter Kiefernnadeln finden sie ihn oft gar nicht, den blühenden Garten der Freiheit.

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