"Hotel Mama":Söhne leben deutlich länger bei den Eltern als Töchter

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Junge Frauen ziehen früher bei ihren Eltern aus als junge Männer. (Foto: Zacharie Scheurer/dpa-tmn)

Junge Männer ziehen in Deutschland im Schnitt mit 24,5 Jahren aus, Frauen eineinhalb Jahre früher. In anderen EU-Ländern wohnen junge Erwachsene noch deutlich länger bei ihren Eltern.

Die Vorteile liegen auf der Hand: die Wäsche wird gewaschen, das Essen gekocht - und die Miete ist unschlagbar günstig. So zumindest die Klischees über die Motive junger Erwachsener, die nicht von Zuhause ausziehen wollen. Immerhin mehr als jeder vierte 25-Jährige in Deutschland lebte im vergangenen Jahr noch bei den Eltern (27,3 Prozent). Bei den 30-Jährigen waren es noch 9,2 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilt. Und noch ein weiteres Vorurteil wird von der Statistik bestätigt: Söhne bleiben länger im Elternhaus als Töchter. Sie ziehen im Schnitt mit 24,5 Jahren aus, junge Frauen mit 23,0. Das sind immerhin eineinhalb Jahre Unterschied.

Das Durchschnittsalter beim Auszug beträgt in Deutschland geschlechterübergreifend 23,8 Jahre. Der Trend geht im Vergleich zu den Vorjahrzehnten tatsächlich dahin, dass junge Erwachsene statistisch gesehen früher ausziehen. Und das obwohl es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt und die Lebenshaltungskosten stark gestiegen sind, stellt Jugendforscher Klaus Hurrelmann fest. Er sieht den Trend, den die Statistik seit fünf Jahren verzeichnet, positiv. Die vorherige Entwicklung, dass vor allem junge Männer lange in ihren Kinderzimmern lebten, hatte ihn beunruhigt: "Die Eigenständigkeit befindet sich dann nicht auf dem nötigen Niveau." Es fehle die Entwicklung einer starken Persönlichkeit, die auch für gleichberechtigte Partnerbeziehungen wichtig sei.

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Im Vergleich ist ein Auszug mit durchschnittlich 23,8 Jahren relativ früh, in der gesamten Europäischen Union beträgt der Schnitt 26,4 Jahre, wie das Bundesamt unter Berufung auf Schätzungen der EU-Statistikbehörde Eurostat mitteilt. Dies liegt vor allem an den süd- und osteuropäischen Ländern. In Kroatien lag das durchschnittliche Auszugsalter mit 33,4 Jahren EU-weit am höchsten, es folgen die Slowakei mit 30,8 und Griechenland mit 30,7 Jahren.

Früher als in Deutschland werden junge Menschen dagegen in nordeuropäischen Ländern flügge: In Finnland im Schnitt mit 21,3 Jahren, in Schweden mit 21,4 Jahren und in Dänemark mit 21,7 Jahren, wie das Bundesamt mitteilte. Der Trend, dass junge Frauen eher den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, bestätigt sich demnach in allen EU-Staaten. Dass junge Menschen in Süd- und Osteuropa länger zu Hause wohnen, erklärt Forscher Hurrelmann mit der stärkeren Bindung an traditionelle Familienformen wie die Großfamilie. In Skandinavien dagegen werde sozialpolitisch eher das Individuum herausgestellt.

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