Frankreich:Der Bürgermeister, der offenbar auf eine Bauchrednerin hereinfiel

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Gilles d'Ettore, heißt es, sei bisher nicht aufgefallen mit leichter Beeinflussbarkeit oder esoterischen Neigungen. (Foto: Véronique Phitoussi/mauritius images / Alamy Stock)

Hat ein französischer Politiker Unmengen an öffentlichem Geld für eine Hellseherin ausgegeben? Über einen irren Betrug, Vaterkomplexe und eine Stimme aus dem Jenseits.

Von Oliver Meiler

In Agde, einer Küstenstadt im schönen Süden Frankreichs, etwa 30 000 Einwohner, wähnen sie sich gerade auf einem Set - so verrückt hört sich die Geschichte an, die sich um ihren Bürgermeister rankt. "Wir sind ganz gespannt auf die nächste Episode, als wäre das eine Serie auf Netflix", sagte jemand der Zeitung Le Parisien, die sich auf dem Markt umgehört hatte. Zu erörtern gilt es dann noch das Genre der Serie, die sich da zuträgt, alles ist möglich: Lokalposse, Tragikomödie und Politthriller.

Sicher ist so viel: Gilles d'Ettore, 55 Jahre alt, früher gaullistischer Abgeordneter der Republik, sitzt seit ein paar Tagen im Gefängnis. Die Justiz verdächtigt den bürgerlichen Bürgermeister, er habe 300 000 Euro aus der anvertrauten Stadtkasse genommen, um damit eine stadtbekannte Hellseherin und Heilerin zu bezahlen, die von sich behauptet, sie könne mit den Lieben im Jenseits Kontakt aufnehmen. Die Frau ist 44 Jahre alt, man kennt sie als Sophia. Auch sie sitzt in Haft.

D'Ettore, so hört man, habe den Tod seines Vaters nie verwunden. Der liegt eine ganze Weile zurück: 1996. Vor vier Jahren begegnete er Sophia zum ersten Mal, und tatsächlich: Sie hatte einen Draht zu seinem Vater, der nun mit tiefer, männlicher Stimme durch sie sprach. Ein Glück sondergleichen, klar. Worüber sie genau sprachen, Vater und Sohn, ist nicht überliefert.

Hellseherin feiert luxuriöse Hochzeit

Der Vater aber hatte offenbar eine Reihe sehr dringlicher Ratschläge für seinen Sohn, und die betrafen ausschließlich die Person, durch die er sprach: Sophia also. Er solle sie reich entlohnen für ihre Dienste, riet er ihm, und nicht nur das. D'Ettore junior sollte auch Sophias Mann anstellen in der Stadtverwaltung, unbedingt. So wurde der Abteilungsleiter im Bürgermeisteramt. Und auch den sechs Kindern Sophias sollte es besser gehen: Sie wurden fortan in Dienstwagen der Stadt herumgefahren, nach freiem Belieben.

Das fiel natürlich auf, Agde ist klein, nur im Sommer, mit allen Touristen, pumpt sie sich ein wenig zur Großstadt auf.

Die Polizei hörte wochenlang die Telefone der Protagonisten ab, dann durchsuchten sie die Büros und nahmen auch Sophias Mann fest, nur kurz allerdings, dann kam er wieder frei. Der Verdacht lautet auf Korruption, Veruntreuung öffentlicher Gelder, Betrug. Der Bürgermeister behauptet, er habe Sophia mit seinem eigenen Geld bezahlt, auch für ihr Hochzeitsfest soll er aufgekommen sein: luxuriöse Location, 200 Gäste.

Beim Verhör räumte Sophia ein, dass das mit der Stimme aus dem Jenseits ein Trick sei, sie habe nun mal bauchrednerische Fähigkeiten. Manchmal habe sie direkt vor ihm performt. Von zu Hause am Telefon sei es aber einfacher gewesen, da habe sie sich von einem Computer helfen lassen.

Verwundert sind die Agathois und Agathoises, wie man die Bewohner von Agde nennt, vor allem deshalb, weil ihr Bürgermeister nie den Anschein gemacht hatte, er sei leicht beeinflussbar. Auch esoterische Neigungen schien er keine zu haben. Und so warten sie also auf die nächste Folge dieser Geschichte, bereit für alle möglichen Pointen. Zurücktreten kann Gilles d'Ettore übrigens nicht, selbst wenn er wollte. Dafür müsste er ein Schreiben unterzeichnen - im Rathaus. Und er sitzt ja im Gefängnis.

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