Ausschreitungen vor dem Papst-Besuch in Madrid:Aufstand der "Parasiten"

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"Benedicto ist ein Nazi": In Madrid mehren sich die Demonstranten, die gegen den Papst-Besuch wüten. Denn dieser kostet Spanien Geld, das es bei Weitem nicht hat. In der Nacht müssen die Sicherheitskräfte einschreiten - und ein spanischer Kirchenvertreter gießt weiter Öl ins Feuer.

Es ist Mittwochabend in Madrid. Das Zentrum der Stadt füllt sich mehr und mehr mit jungen Menschen, die gegen den Besuch des Papsts protestieren: Papst-Gegner, Schwule, Republikaner, Weltliche, Atheisten und "Indignados" - Anhänger der Jugendbewegung der "Empörten". Mit Lobgesängen, Bannern, Ratzinger-Marionetten und einem nachgebauten Papamobil ziehen sie gegen den Auftritt des katholischen Kirchenoberhaupts durch die Straßen - und gegen einen Staat, der für ein solches Massenevent Geld ausgibt, während bei Sozialausgaben schmerzhaft gekürzt wird.

In Madrid protestieren die Anti-Papst-Gegner gegen die Unterstützung der katholischen Kirche seitens der Regierung. Gestern Nacht kam es sogar zu gewalttätigen Ausschreitungen. (Foto: dpa)

Die Reaktion der Kirche dürfte kaum zur Deeskalation beitragen: "Parasiten" nennt der Sprecher der spanischen Bischofskonferenz, Juan Antonio Martínez Camino, die jugendlichen Protestierenden. Geführt von einem Banner mit der Botschaft "Von meinen Steuern an den Papst 0" ziehen sie am Mittwochabend zum Puerta del Sol, wo sie auf Pilger des Weltjugendtags treffen.

Gegen 23 Uhr greifen die Sicherheitskräfte ein. Die Botschaft der Beamten ist eindeutig: "Genug Dummheiten, holt die Schlagstöcke raus und was sonst noch fehlt", befiehlt der Chef der Einsatzkräfte, wie die spanische Zeitung El País auf ihrer Webseite berichtet.

Die Menge der Demonstranten gerät in Aufruhr. Einer der Verhafteten, im Laufe der Nacht sollen es noch sieben weitere werden, schreit: "Ich heiße Flavio Torroto und habe nichts getan". Unter den elf Verletzten der Nacht befindet sich dem Bericht zufolge auch ein peruanischer Fotograf. Er soll wiederholt Schläge abbekommen haben, obwohl er immerzu rief "Ich bin Presse, ich bin Presse".

Der Besuch des Pontifex soll 50 Millionen Euro kosten, von denen, wie die Veranstalter immer wieder betonen, kein Cent aus Steuergeldern stammt. Die Papst-Gegner sehen das anders: Selbst wenn dem so wäre, würden für den Papstbesuch immer noch öffentliche Gebäude zur Verfügung gestellt, die Gehälter der Sicherheitskräfte bezahlt und gesperrte Straßen stillschweigend hingenommen. Spaniens Regierung steht hinter der katholischen Großveranstaltung, die fast eine halbe Million angemeldete Teilnehmer erwartet, und ging schon zuvor entschieden gegen die Proteste vor. Die Behörden erließen kurzerhand ein Verbot der angekündigten Demonstrationen.

Die Bürgermeisterin hat kein Verständnis für die Demonstranten

Entsprechend äußerte auch Madrids zweite Bürgermeisterin, Ana Botella, im Vorfeld wenig Verständnis für die Gegner: "Wir reden hier von einem Ereignis mit einem spirituellen Führer". Zwar sei der Staat konfessionslos, aber er habe die Pflicht, den verschiedenen Glauben ihre Ausübung zu erleichtern. Für die Demonstranten hat sie kein Verständnis. "Mir würde es nie einfallen, eine Demonstration gegen nichts zu fordern", sagte Botella der Zeitung El País.

Die Kritik, dass die Pilger 80 Prozent Ermäßigung auf die öffentlichen Verkehrsmittel erhielten - eine Preisminderung, die den vielen Arbeitslosen nicht zusteht, könne sie nicht nachvollziehen. Die Pilger seien ja noch jung. Und mit einer Diskriminierung der Arbeitslosen habe das Ganze gar nichts zu tun.

Die Ausgaben, über die sich die spanische Regierung bislang ausschweigt, rechtfertigte die Bürgermeisterin mit der weltweiten Aufmerksamkeit für Madrid. "Wie viel hätte diese große Werbekampagne gekostet, wenn wir sie hätten bezahlen müssen?", so Botella zu El País. Der Stadtrat rechnet zudem mit 150 bis 250 Millionen Euro, die die Pilger in Spanien, vor allem in Madrid, ausgeben.

Außerdem erscheine es logisch, mit einer Institution wie der katholischen Kirche, die so viele spanische Bürger vertritt, Vereinbarungen zu treffen, sagte Botella. Ob dieses Engagement auch bei anderen religiösen Großveranstaltungen erwartet werden dürfte, ist fraglich. Auf die Frage, ob auch andere Religionen derartige Veranstaltungen erlaubt bekämen, verwies Botella im Gespräch mit El País auf die Großzügigkeit, mit der die Stadt auf fremde Völker reagiere.

Die Toleranz zeige sich ja bereits im Umgang mit Muslimen. "Wenn Muslime im Krankenhaus oder Gefängnis sind, dann erleichtert man ihnen auch die 'Diät' gemäß ihrer Religion." Zu den Protesten schweigt sich Spaniens Politik bislang aus.

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