Zukunft der Klöster:Die Renaissance von Reutberg

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Dass der Konvent fortbestehen kann, sehen (v.l.n.r.) Schwester Faustina, Schwester Augustina und Schwester Benedicta als "Werk Gottes". (Foto: Manfred Neubauer)

Ein Jahr ist es her, dass der Vatikan überraschend entschieden hat, dass das Kloster nicht aufgelöst wird. Nun geht es für die verbliebenen Nonnen darum, die Voraussetzungen zu schaffen für eine Neubelebung

Von Klaus Schieder, Sachsenkam

Die Klosterkirche ist dunkel und vollkommen still. Nur das Gnadenbild mit der Madonna am Hochaltar umgibt ein kleiner Lichtkranz, ansonsten flackern auf dem Ständer gleich am Eingang ganze Reihen von Opferkerzen. Zu hören ist an diesem Vormittag kein Ton, auch nicht von draußen. Die kontemplative Atmosphäre des Gotteshauses und des Klosters auf dem Reutberg zieht noch immer viele Besucher an. "Die Leute suchen die Stille und die Abgeschiedenheit", sagt Schwester Faustina vom regulativen III. Orden des Hl. Franziskus.

Damit wäre es 2018 um ein Haar vorbei gewesen. Der Konvent, der mangels Ordensfrauen keiner mehr war, sollte aufgelöst, das Kloster selbst zu einem Seelsorgezentrum werden. Diesen Plan hatte die Erzdiözese München und Freising beharrlich vorangetrieben. Dagegen regte sich jedoch erheblicher Widerstand der Gläubigen aus Sachsenkam und der ganzen Region. Am Ende geschah das Wunder von Reutberg: Der Vatikan selbst entschied völlig überraschend, dass die beiden Nonnen bleiben dürfen. "Dass es so gekommen ist, war das Werk Gottes", sagt Schwester Faustina.

Auf dem Reutberg ist damit ein Jahr später auch im Kloster wieder Ruhe eingekehrt. Als "Apostolische Kommissarin", die alle Rechte und Pflichten einer Oberin hat und dem Vatikan selbst untersteht, wurde Schwester Benedicta Tschugg eingesetzt. Die Ordensfrau von den Klarissen-Kapuzinerinnen von der Ewigen Anbetung aus dem Bethlehem-Kloster Koblenz war von Mai 2017 bis Januar 2018 schon einmal auf dem Reutberg. Sie sollte Schwester Faustina, 51 Jahre alt, und die hochbetagte Schwester Augustina, 91, unterstützen, wurde dann allerdings von der Erzdiözese zurückgeschickt. Ihre Rückkehr wertet auch sie als eine Art Wunder. Die Überraschung lag für sie aber eher darin, dass nicht eine Oberin mit der Aufgabe betraut wurde. Sie habe damit gerechnet, "dass jemand anderer eingesetzt wird, nicht unbedingt meine Person", sagt die Ordensfrau.

Die Rettung des Konvents wurde im November vergangenen Jahres gefeiert, nach all den Schlagzeilen in den Medien allerdings eher im Stillen. Die Bevölkerung sei "überaus dankbar und froh" gewesen, erinnert sich Schwester Benedicta. Das gilt auch für die Sachsenkamer Gruppe um Sprecher Uli Rührmair, Bürgermeister Johann Schneil und Gerald Ohlbaum, den Vorsitzenden des Vereins "Freunde des Klosters Reutberg". Sie hatten in vielen Verhandlungen mit der Erzdiözese, mit der Sammlung von beachtlichen 12 000 Unterschriften und schlussendlich mit dem entscheidenden Gespräch im Vatikan für den Fortbestand des Konvents gekämpft. "Die Sachsenkamer Gruppe hat sich sehr eingesetzt", sagt Schwester Faustina. Aber auch andere hätten sich engagiert: "Es wurde sehr, sehr viel gebetet."

Schwester Benedicta Tschugg vom Kloster der Klarissen-Kapuzinerinnen von der Ewigen Anbetung nun die Rechte und Pflichten einer Oberin. (Foto: Manfred Neubauer)

Nun kommt es darauf an, dass die Franziskanerinnen vom Reutberg mit der Zeit auch wieder Zuwachs bekommen. Allerdings ist dies nicht die allererste Aufgabe, die Schwester Benedicta als Apostolische Kommissarin erfüllen soll. Sondern? "Ich soll die Voraussetzungen schaffen für eine Neubelebung", sagt sie. Dazu gehörten vor allem ein schwesterliches Miteinander und eine lebendige, geistliche Atmosphäre im Kloster. Von daher sieht sie es als "Glücksfall" an, dass sie Schwester Faustina an ihrer Seite hat, die gleichaltrig ist und 1996 - im selben Jahr wie sie selbst - ins Kloster eintrat. "Wir ergänzen uns sehr gut." Dies sei auch die Basis dafür, "dass sich überhaupt etwas Positives entwickeln kann". Das ist in Zeiten der vielen Kirchenaustritte und des Mangels an Nonnen schwierig. Aus ihrem Heimatkloster in Koblenz kann sie derzeit nicht mit Verstärkung rechnen. Der Stamm an Schwestern reiche dort gerade aus, um die Tag und Nacht währende Anbetung zu gewährleisten, erzählt sie. Aber die Situation ist auch nicht aussichtslos. Einige Interessentinnen hätten sich im vergangenen Jahr gemeldet, sagt Schwester Benedicta.

Das Erfreuliche: Eine davon hat sich mit 47 Jahren sogar entschieden, zum Jahresende in den Konvent auf dem Reutberg einzutreten. Sofern sich daran nichts ändert, wird diese Postulantin, die aus einem anderen Bistum stammt und bisher drei Mal eine Woche lang im Konvent gelebt hat, nach einer Anfangsphase auf dem Reutberg erst einmal nach Koblenz ziehen und ihr Noviziat beginnen, dann aber zur Einkleidung und zur Profess zurückkehren. Auch damit zeige Gott, "dass er hier was vorhat", glaubt Schwester Benedicta. Ansonsten könnten sie und ihre beiden Mitschwestern nur "versuchen, unser Leben so authentisch wie möglich zu leben".

Das Kloster auf dem Reutberg zieht nach wie vor viele Gläubige und andere Gäste an. "Die Kirche geht den ganzen Tag auf und zu, die Karten mit der Bitte um Gebetshilfe sind voll, der Ständer mit den Opferlichtern ist auch immer voll", berichtet Schwester Faustina. Zu den werktäglichen Gottesdiensten kämen im Schnitt um die 20 Besucher, sagt Schwester Benedicta. Tendenz: zunehmend. Nachdem Josef Beheim als Spiritual in den Ruhestand gehen musste, kommen Priester aus der ganzen Region her, um die Messen zu zelebrieren. "Wir suchen noch nach einem neuen Spiritual", sagt Schwester Benedicta. Ein neuer Klosterverwalter wird hingegen nicht benötigt. Um den Besitz des Ordens auf dem Reutberg kümmert sich die Apostolische Kommissarin selbst. "Wir haben die Klosterverwaltung komplett zurückbekommen." Dabei arbeitet sie mit Fachleuten wie Wirtschaftsprüfern, einem anderen Steuerberater und Juristen zusammen.

Das Kloster Reutberg in Sachsenkam. (Foto: Manfred_Neubauer)

Unruhige Zeiten hat das Kloster auf dem Reutberg häufiger erlebt. 1618 gegründet, drohte im beginnenden Dreißigjährigen Krieg schon bald wieder die Schließung, auch in der Säkularisation 1802 war der Fortbestand in Gefahr. "Das Kloster Reutberg hat eine Geschichte mit Höhen und Tiefen, jetzt erleben wir gerade wieder Geschichte", sagt Schwester Benedicta. Ihr Einsatz auf dem Reutberg wurde möglich, weil Papst Franziskus 2018 mit der Instruktion "Cor orans" die Möglichkeit zu Affiliation gegeben hatte, wodurch kontemplative Klöster, denen es besser geht, schlechter gestellte Konvente unterstützen können, auch wenn sie einem anderen kontemplativen Orden angehören. Schwester Benedicta sieht dies "vornehmlich als Werk Gottes - er sucht aus, wen er bringt, und wo er es bringt".

Vielleicht kommen so eines Tages auch wieder mehr Nonnen auf den Reutberg. Wichtig sei, dass sich aus der kleinen Gemeinschaft nochmals Leben entwickle, sagt Schwester Benedicta. "Wenn das nicht der Fall ist, müsste man sich wirklich über eine Alternative Gedanken machen." Vorerst sind immerhin Störche wieder auf dem Reutberg zu sehen. Ein Paar hat sich auf dem Klosterdach niedergelassen. Die Nonnen nehmen auch ihre Anwesenheit als Zeichen dafür, dass das Leben langsam wieder zurückkehrt. "Es ist für uns ein Bild", sagt Schwester Benedicta.

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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