Swing und Gospel:"Ein Werk, das zunehmend süchtig macht"

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Der Wolfratshauser Gospelchor, hier bei einem Konzert in Sankt Michael, wagt sich auf neues Terrain. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Enno Strauß hat sich mit dem Wolfratshauser Gospelchor Duke Ellingtons "Sacred Concert" vorgenommen. An dem Großprojekt wirken zudem die Monaco Big Band, eine Sopranistin und ein Stepptänzer mit. Wie ist das zu schaffen?

Interview von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

Enno Strauß hat offenkundig viele Talente: Der 55-Jährige spielt Schlagzeug, Klavier, Gitarre und Bass, arrangiert, singt und betreibt seit 2010 die Groove Academy in Geretsried. Nun lässt er als Chorleiter aufhorchen. Zusammen mit dem Wolfratshauser Gospelchor, auch bekannt unter dem Namen Silberpilger, der Monaco Big Band (Leitung Gerd Fink), der Sopranistin Marie Brandis und dem Stepptänzer Klaus Bleis bringt er Duke Ellingtons "Sacred Concert" auf die Bühne. Drei Konzerte in drei Kirchen sind angesetzt.

SZ: Herr Strauß, wer hatte die kühne Idee, das "Sacred Concert" aufzuführen?

Enno Strauß: Das war tatsächlich ich. Wir haben dieses Werk ja schon einmal 2016 im Rahmen des Kulturherbstes in Geretsried auf die Bühne gebracht, damals in einer anderen Konstellation. Es war ein Riesenerfolg! Die Kirche Heilige Familie ist aus allen Nähten geplatzt. Deshalb habe ich Gerd Fink, dem Leiter der Monaco Big Band, vorgeschlagen, dieses Projekt noch einmal zusammen mit dem Wolfratshauser Gospelchor anzugehen.

50 Sängerinnen und Sänger, eine 20-Mann-Big-Band, eine Sopranistin und als i-Tüpfelchen ein Stepptänzer - wie lässt sich so ein Werk einstudieren?

Ja, das ist gar nicht so einfach. Mit dem Chor - er hat den schwierigsten Part - bin ich schon längere Zeit dran. Da hatten wir schon in den Weihnachtskonzerten vergangenes Jahr kleinere Auszüge ins Programm eingebaut. Die Monaco Big Band, in der ich Schlagzeuger bin, hat im Sommer angefangen zu proben. Dann gibt es noch Einzelproben, zum Beispiel mit dem Pianisten und der Solistin oder mit dem Stepptänzer. Und seit ein paar Wochen bringen wir Chor und Band zusammen.

Enno Strauß im Pfarrgarten Sankt Michael. Vor sechs Jahren hat er die Leitung des Gospelchors übernommen. (Foto: Hartmut Pöstges)
In der Monaco Big Band spielt er das Schlagzeug. (Foto: Privat/oh)

Und da leiten Sie den Chor dann vom Schlagzeug aus?

Das wäre gar nicht so leicht! Es ist so: Ich habe den Chor vorbereitet, und drei Stücke, bei denen es keinen Schlagzeug-Part gibt, dirigiere ich auch. Ansonsten übernimmt Gerd Fink das Dirigat, er hat die Gesamtleitung - und die Hände frei. Er ist ein absoluter Swing-Experte und ein wirklich netter Kollege.

Wann haben Sie das "Sacred Concert" zum ersten Mal gehört?

Das war vor einigen Jahren in einer Probe mit dem Swinging Jazz Ensemble vom Ammersee, einer Big Band, die dann auch beim Kulturherbst gespielt hat. Damals hat das der Bassist mitgebracht und gesagt: Hört euch das mal an.

Und welchen Eindruck hatten Sie?

Na ja: Wow! Das ist eine einmalige Geschichte, diese Kombination aus Chormusik, Gospel und Swing. Da gibt es nichts Vergleichbares. Wenn man sich ein bisschen mit dem Werk beschäftigt, stellt man fest, dass Duke Ellington nicht nur für Swing-Musik steht, sondern auch ein großer Anhänger der Kirchenmusik war. Es hat insgesamt drei "Sacred Concerts" komponiert. Das ist wie ein Baukasten: eine Vielzahl von Stücken, die in unterschiedlichen Zusammensetzungen aufgeführt wurden. Da es keine Partitur gab, haben die dänischen Arrangeure John Hoybey und Peder Pedersen das Ganze noch einmal für Chor und Big Band arrangiert, und das ist die Fassung, die auch wir jetzt spielen. Sie besteht aus zehn kontrastreichen Teilen. Es gibt ganz getragene spirituelle Stücke und dann wieder Up-Tempo-Swing-Nummern, die einfach Spaß machen. Ein äußerst kurzweiliges und imposantes Konzert, da ist schon was geboten!

Sie trauen dem Wolfratshauser Gospelchor offenbar einiges zu.

Ja, ich hab diesen Chor vor sechs Jahren übernommen und seither kontinuierlich aufgebaut - nicht nur zahlenmäßig, sondern auch, was das Repertoire betrifft. Gospelmusik kann ja ganz unterschiedlich klingen, soulig oder poppig, dieses Werk bringt noch einmal ganz neue Facetten hinein. Für den Chor ist es einerseits eine interessante stilistische Erfahrung, weil er bislang mit Jazz und Swing nicht so viel Kontakt hatte. Andererseits ist es ein Projekt, das dem Chor Mut macht und Selbstbewusstsein gibt.

Was zeichnet Ihren Chorleiterstil aus?

Eine Kombination aus der Vermittlung von Spaß und Konzentration. Ich bemühe mich darum, alle mitzunehmen. Es gibt beispielsweise kein strenges Aufnahmeverfahren. Wer Lust hat, kann mitsingen, je nach Aufnahmekapazität. Aber trotzdem haben wir Qualitätsbewusstsein. Und ich fordere etwas vom Chor. Übrigens suchen wir immer neue Männer für die Bass- und Tenorstimmen.

Worin bestehen die größten Herausforderungen?

Viele Passagen sind vierstimmig, wobei sich die Stimmen zudem oft teilen. Die Schwierigkeit sind vor allem die jazzigen Harmonien. Es gibt Reibetöne, so genannte Optionstöne, in den Akkorden, die ungewohnt sind, die man erst mal hören muss. Der Chor muss sich an diese Klänge gewöhnen - und an das Swing-Feeling, die rhythmische Struktur, bei der Achtelnoten in der Regel triolisch ausgeführt werden.

Das klingt nach einem harten Stück Arbeit. Gab es Momente, in denen Sie Ihren Entschluss bereut haben?

Musikalisch nicht - da macht es mir große Freude, und da hab ich auch Geduld. Das ist etwas, das wachsen muss. Das Werk ist so angelegt, dass es einen zunehmend süchtig macht. Aber die Organisation ist wahnsinnig anstrengend, da hätte ich schon ganz gern ein paar Mal das Handtuch geschmissen. Wir haben aber ein klasse Orga-Team gegründet, das alles fantastisch vorbereitet hat, sodass Gerd Fink und ich uns gut auf die Musik konzentrieren können.

Drei Konzerte sind angesetzt. Haben Sie Bedenken, die Kirchen voll zu bekommen?

Geretsried ist bereits ausverkauft. Der Vorverkauf für Sankt Benedikt in Ebenhausen läuft auch ganz gut. Die größte Herausforderung ist noch das Konzert in Schondorf, wo Chor und Band nicht so verwurzelt sind. Es gab im Vorfeld viele Diskussionen und viele kritische Stimmen vonseiten der Band im Hinblick auf die Finanzierung. Ich war da etwas optimistischer, weil ich aus Erfahrung wusste: Dieses Stück zieht.

"Sacred Concert": Sonntag, 12. November, 19 Uhr, Katholische Kirche Heilige Familie, Geretsried (ausverkauft); Sonntag, 19. November, 19 Uhr, Sankt Benedikt, Ebenhausen; Freitag, 24. November, 19 Uhr, Katholische Kirche Heilig Kreuz, Schondorf am Ammersee; Karten im Vorverkauf kosten 22 Euro, an der Abendkasse 25 Euro.

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