Elektronische Tanzmusik:Schleudergang fürs Nachtleben

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Light, Sound und Wäschetrommel: Blick über die Tanzfläche aufs DJ-Pult der "Waschmaschine" am Hans-Urmiller-Ring. (Foto: Hartmut Pöstges)

In Wolfratshausen gibt es einen neuen Technoclub: Die "Waschmaschine" bietet Zuflucht für Nachtschwärmer und gibt Musik-Kollektiven auf der Suche nach Veranstaltungsorten ein Forum.

Von Sophia Coper, Wolfratshausen

Die S7 mit ihren Verspätungen ist zum Haare raufen, an diesem Freitagabend fährt sie jedoch zuverlässig. Alle 20 Minuten spuckt sie einen Schwall junger Menschen aus. Die verschiedenen Grüppchen verteilen sich in der Dunkelheit, haben aber dasselbe Ziel: Die Karawane in dicken Winterjacken mündet in einer langen Schlange am Hans-Urmiller-Ring 54. Gezückte Ausweise werden kritisch von Türstehern gemustert, dann geht es die Treppe hinunter. Es ist kurz vor zwölf und die Nacht noch jung.

Seit Oktober läuft in Wolfratshausen regelmäßig die Waschmaschine - so lautet der Name des neuen Technoclubs in den Kellerräumen des Gebäudes im Gewerbegebiet, das einst den "Turm" beherbergte. Kurz vor Pandemieausbruch begannen der Wolfratshauser Loïc Kölbl und Philipp Goodluck aus Geretsried gemeinsam mit ihrem Musik-Kollektiv "Kolor" dort Clubnächte zu veranstalten. Das funktionierte so gut, dass sie nicht aufgehört haben.

"Am Anfang wollten wir eigentlich nur Party machen", gesteht Kölbl, dann seien aber immer mehr Liebe und Aufwand in die Organisation hineingeflossen. Auch dem Besitzer der Räumlichkeiten Sepp Schwarzenbach, inzwischen Ex-Wirt, CSU-Stadtrat und Kulturreferent, sei schnell aufgefallen, dass bei Veranstaltungen der beiden der Strom an Gästen nicht abbrach. Nachdem dieser seine Projekte wie die "Tingel-Tangel-Bar" dort eingestellt hatte und der Keller einem schlüsselfertigen Club gleichkam, stand die Frage im Raum, wie es weitergehen solle. Die Antwort blitzt von der Wand herunter: Eine weiße Waschmaschine schwebt über dem DJ-Pult, Lichteffekte bringen den Schriftzug in der Trommel zum Drehen. Der Name habe eigentlich keine große Bedeutung, sagt Goodluck, aber die Ähnlichkeit ihres Kollektivnamens Kolor mit Color-Waschmittel habe die Wahl besiegelt.

So sind die beiden 27-Jährigen in den letzten Zügen ihres Studiums plötzlich Clubbetreiber geworden. Von der Resonanz beflügelt haben sie Anfang Januar das Programm erweitert. Bis Ende April wird nun in der Waschmaschine jeden Freitag- und Samstagabend die Anlage aufgedreht und das Bier kaltgestellt, danach geht es bis Oktober in die Sommerpause.

Kölbl und Goodluck schildern ihren überraschenden Erfolg gelassen. Dabei sind ausverkaufte Technopartys in Wolfratshausen nicht gerade an der Tagesordnung. In dem Turmgebäude sind schließlich zuletzt viele Clubs und Kneipen gescheitert. Was also funktioniert besser als bei den Konzepten davor?

"Jeder, der Techno mag, ist hier willkommen. Philipp Goodluck (li.) und Loïc Kölbl betreiben die "Waschmaschine" in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

"Die Waschmaschine ist einer der wenigen Clubs, wo man noch die Möglichkeit bekommt, aufzulegen", sagt ein Gast, der einem anderen Techno-Kollektiv angehört. Hört man sich bei den anderen um, die draußen frierend an ihren Zigaretten ziehen, klingen die Antworten ähnlich. Techno in München und Umgebung ist eine schwierige Angelegenheit. Immer mehr Clubs schließen ihre Pforten und die wenigen, die es noch gibt, haben ihre eigenen Veranstaltungsreihen und vermieten nicht oder zu hohen Konditionen an externe Interessenten. Für Musik-Kollektive ist die Situation frustrierend.

Neben festen Anlaufstellen wie zum Beispiel den Nachtclubs Bahnwärter Thiel oder Harry Klein organisiert sich die Münchner Techno-Szene in bis zu 30 kleineren oder größeren Kollektiven.Das sind lose Gruppierungen junger Kreativer, die sich gegenseitig zu unterstützen und vor allem gemeinsam Partys veranstalten wollen. Meist sprießen diese auf kleinen Waldlichtungen oder Feldern im Münchner Umland aus dem Boden. Für den Anfang braucht es dafür nicht mehr als selbst mitgebrachte Getränke, etwas Technik und eine große Plane als Schutz gegen unangekündigte Regengüsse. Angemeldet sind die meisten Partys nicht, und ab einem bestimmten Zeitpunkt macht das Versteckspiel vor der Polizei keinen Spaß mehr. Professionalisieren ist jedoch schwer, wenn keine Veranstaltungsorte existieren, die man buchen kann.

"Techno ist aus dem Underground entstanden und sollte für alle da sein", erklärt Kölbl sein Selbstverständnis und den Anspruch an die Waschmaschine. Regelmäßig werde anderen Kollektiven die Schlüssel in die Hand gedrückt, mittlerweile habe sich der Anteil an externen Veranstaltungen aber von 60 auf 40 Prozent verringert. Hintergrund seien wirtschaftliche Aspekte, man könne nicht zu häufig die Eintrittseinnahmen an Dritte abgeben. "Mit Techno wird man nicht reich", sagt Kölbl - vor allem wenn man die Ticket- und Getränkepreise niedrig halten wolle.

Im feiernden Publikum sind viele eigens aus München angereist. Wer der S7 für den Rückweg nicht vertraut, der kann den extra angemieteten Shuttlebus benutzen, der für fünf Euro Fahrtkosten die Donnersbergerbrücke ansteuert. "Der Club hat sich auf jeden Fall zum Positiven verändert", berichtet eine gebürtige Wolfratshauserin. Die Stufenpartys, die sie früher hier gefeiert habe, hätten alle Dorfdiskoflair gehabt, durch die Waschmaschine sei das Programm viel subkultureller geworden. " Es ist cool, endlich mal vor der Haustür einen vernünftigen Club zu haben", sagt sie. Anstatt nach München reinfahren zu müssen, kämen ihre Freunde nun eben hier vorbei.

Um zwei Uhr ist die Halle gefüllt, die Winterjacken hängen alle an der Garderobe. Flackernde Lichteffekte rahmen die Bewegungen der Tanzenden ein, an der Wand leuchtet die Waschmaschine. Wer heute nicht genug bekommt, kann nächstes Wochenende wiederkommen. Hauptsache man habe Spaß an der Sache, betonen Kölbl und Goodluck: "Jeder, der Techno mag, ist hier willkommen."

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