Für Sprachliebhaber und Vers-Freunde:Frieden finden beim Hamster-Jonglieren

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Hobbyphilosophen, Autoren und Wortkünstler haben sich im Wolfratshauser Krämmel-Forum bei einem Poetry Slam gemessen. Im Bild der spätere Gewinner Bert Uschner. (Foto: Hartmut Pöstges)

Geschichten über Alltagsbeobachtungen, über Superkräfte und Tiere: Beim Poetry Slam in Wolfratshausen treten sechs Autorinnen und Autoren an, um das zahlreiche Publikum nicht nur zu unterhalten, sondern auch für sich zu gewinnen.

Von Anja Brandstäter, Wolfratshausen

Das Wolfratshauser Krämmel-Forum ist am Freitagabend restlos ausverkauft. Viele junge Zuschauer und auch Kinder sind gekommen. Einige Interessierte haben kein Ticket ergattert und warten noch in der Hoffnung, doch hineinzukommen. Auslöser für den Andrang: ein Poetry Slam in Wolfratshausen.

Dass statt acht Wortkünstler nur sechs gekommen sind, tut der Stimmung an diesem Abend keinen Abbruch. Die Teilnehmenden hätten nicht unterschiedlicher sein können, doch jeder von ihnen unterhält das gut gelaunte Publikum auf seine Weise.

Die Regeln des Abends sind klar: Jeder hat sieben Minuten Zeit, mit selbst geschriebener Lyrik, Rap oder Prosa das Publikum zu begeistern. Andreas Kutter, Eventmanager der Stadt Wolfratshausen, nennt zudem eine weitere Vorgabe: "Ich bin der Einzige, der ausgebuht werden darf. Hier geht es um Worte". Deshalb sind auch weitere Hilfsmittel, wie zum Beispiel Kostümierungen, untersagt. Allerdings wird der Abend musikalisch untermalt, und zwar von dem Sänger Oliver Materna und dem Pianisten Andreas Halamek-Weinert, der für jeden Teilnehmenden einen Jingle komponiert hat.

Volles Haus: Die Veranstaltung hat zahlreiche Interessierte gelockt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Am weitesten für den Abend angereist ist Gabriele Glöckler aus Ulm, sie trifft mit ein paar Minuten Verspätung ein. "Bahnchaos" nennt sie ihre Reise später. Passend dazu trägt zunächst aber Jaromir Konecny einen "Nachruf auf eine alte Geliebte", die Deutsche Bahn, vor. Er erzählt auch von seiner alten Heimat Tschechien. Dort erledigte man früher beim Bahnfahren fast alles, die Züge waren ohnehin unpünktlich, überall gab es Alkohol, man lernte da seine Zukünftige kennen und dann ging es gleich zum Standesamt. Geschichten von der Bahn, da läuft auch bei den Zuhörern ein Film ab, da lebt man mit.

Auf eine Reise in sein Innerstes nimmt Bert Uschner das Publikum mit. Er spricht über seine Depressionen. "Wie fühlt sich Frieden an?", fragt er sich. Denn in seinem Körper herrscht Krieg. Mit Gedanken, die auf ihn einprasseln. Nimmt er Medikamente, hat er mit Müdigkeit zu kämpfen. "Ich trage mich durch die Tage, immer auf der Suche nach dem inneren Frieden", endet er.

Um Wasser- und Feuermagie dreht sich alles bei Birgit Botzenhart. Sie hat ihren Fantasy-Roman mitgebracht, an dem sie seit Jahren schreibt. Sie betont die Sätze so, dass der Zuhörer ihr gerne folgt, etwa wenn sie vom Wasser liest, das sich von einem Magier zu einer Kugel formen lässt.

Martin Kern trug "Tiergedichte fürs Herz" vor. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nach diesen drei Prosatexten bringt Martin Kern drei "Tiergedichte fürs Herz" vor, wie er sagt. In "Löwenjagd" geht es um Freiheit, im nächsten um das starke, gefährliche Krokodil und das dritte Gedicht heißt "Die dankbare Amsel". Sie bleibt lieber da und schweift nicht in die Ferne. Stark betont Martin Kern seine Gedichte mit tiefer Stimme, was dem Publikum offensichtlich gut gefällt. Er kommt als einer von drei Poeten in die Finalrunde.

Wieder ganz anders verpackt Christian Braun seinen Beitrag: Er liest seinen Rap über unerträgliche Zustände, wie zum Beispiel die Klimakrise, vom Smartphone ab. "Wir sind am Peak, was muss noch alles passieren, bevor uns diese Erde biologisch abschüttelt", rappt er.

Hatte die weiteste Anreise - und dann auch noch Verspätung dank der Bahn: Gabriele Glöckler. (Foto: Hartmut Pöstges)

Trotz erlebtem Bahnchaos sieht Gabriele Glöckler die Zukunft nicht so düster. Sie wünscht sich aber mehr Eigenverantwortung gerade in Bezug auf die Klimakrise. Hier gebe es keine einfachen Antworten. "Jeder einzelne zählt in unserer Gesellschaft", sagt sie. Sie wünscht sich eine gute Mannschaft, die zusammenhält. "Es geht uns doch alle etwas an", so Glöckler.

Nach sechs spannenden Beiträgen läutet Andreas Kutter die Pause ein. Das Publikum hat nun die Wahl und kürt die drei besten Poeten per Abstimmung: Martin Kern, Bert Uschner und Jaromir Konecny. Die drei treten noch einmal gegeneinander an. Jetzt ist der Applaus entscheidend.

Jaromir Konecny schaffte es mit in die Endrunde. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Zuschauer hören noch zwei Gedichte von Martin Kern: "Ich bin ein Kind der 80er Jahre" und "Weltschriftsteller". Bert Uschner trägt die Ballade "Warum ich mit Hamstern jongliere" vor. Das Publikum lacht sich kaputt über diese abstruse Geschichte. Ihm folgt Jaromir Konecny mit einer Passage aus seinem Buch "Du wächst für den Galgen". Darin geht es um einen Karpfen, den sein Vater schlachten möchte. Dies gelingt jedoch nicht und der Fisch landet schließlich wieder im Gemeindeteich. Der Applaus aber ist eindeutig: Bert Uschner gewinnt den Wolfratshauser Poetry Slam.

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