Konzert in Wolfratshausen:Melodien mit gutem Karma

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Grooviger Einstand: Joris Teepe, Howard Curtis und Johannes Enders (von links) bei ihrem Konzert im Rathaus-Café. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Saxofonist Johannes Enders legt mit Drummer Howard Curtis und Bassist Joris Teepe einen gelungenen Auftakt seiner neuen Jazzreihe im Rathaus-Café hin.

Von Paul Schäufele, Wolfratshausen

Ein Drei-Mann-Orchester haben sie sich ins Wolfratshauser Rathaus-Café geholt, ein Trio von Weltmusikern. Johannes Enders am Tenorsaxophon, Howard Curtis am Schlagzeug, Joris Teepe am Kontrabass. Um böse Konsequenzen müssen sie sich nach diesem Konzert keine Sorgen machen, selbst wenn sie als Trio "Instant Karma" auftreten. Im Gegenteil: Mit dem spektakulären Auftritt begründen die drei eine Reihe mit dem Namen "Johannes Enders & Friends", die regelmäßig hochkarätigen Jazz ins Zentrum Wolfratshausens bringen soll. Der mühelos gelungene Einstand lässt viel hoffen.

Dabei ist Wolfratshausen, jazztechnisch gesehen, vielleicht nicht Brachland, aber doch ein Flecken "mit Potenzial", wie der Veranstalter der Reihe und Inhaber des Cafés, Hans-Joachim Kunstmann, mit bestem Makler-Optimismus zugibt. Und freilich, das Rathaus-Café ist sympathisch, ein typischer Jazz-Schuppen aber ist es nicht - an den Wänden hängen Loisach-Impressionen, keine Helmut-Newton-Kopien, von der Decke baumeln Blumentöpfe, keine unbeschirmten Glühbirnen. Dass das erste Konzert der Reihe dennoch ein immersives Jazzkunst-Ereignis wird, liegt an der Qualität der Musiker.

Dem Groove kann keiner entgehen, wenn er in Gestalt von Enders kommt

Dass diese sich hier einfinden, ist Enders zu verdanken. Seit Kindertagen sind er und Kunstmann befreundet. Und wenn Enders einlädt, kommen die Leute gerannt. Das ist nicht schwer zu verstehen, dem Charisma, der brachialen Präsenz des Saxophonisten muss man sich erstmal entziehen. Oder eben nicht, dann kommt man in den Genuss, erstklassige Musik zu hören. Zum Beispiel Wayne Shorters "Black Nile". Curtis, Teepe und Enders lassen Notenkaskaden auf das Publikum des ziemlich vollen Cafés rieseln.

Skeptische Blicke unter Zuhörerinnen und Zuhörern. Doch spätestens, wenn sich die Melodie in Enders' betörend singendem Saxophon-Ton aus dem Klangdickicht windet, fangen die Ersten an, vorsichtig zu nicken, mit den Füßen zu wippen. Auch ein nicht allzu jazzerfahrenes Publikum kann dem Groove nicht entgehen, wenn er in Gestalt von Enders und seinen Freunden kommt. Sie machen es den Hörerinnen und Hörern nicht schwer.

"Wir lieben auch Melodien"

Denn für das Konzert in Wolfratshausen hat Enders ein ausgesucht schönes Programm mitgebracht, eine Mischung aus Jazz-Standards und Eigenkompositionen. Ob er in New York, seinem Studienort, anders gespielt hätte? Enders überlegt kurz und gibt zu: "Ja, das wäre ein anderes Programm geworden, energetischer. Aber wir lieben auch Melodien." An solchen mangelt es an diesem Abend nicht.

Im für Billie Holiday komponierten "Lover Man" ist Enders' ganze Tongebungskunst hörbar, dieser unverwechselbare, leicht heisere Klang; eine Singstimme, wie sie tönt, wenn sie schon viel erlebt hat. Nicht ohne Grund gilt der in Leipzig lehrende Musiker als Deutschlands einflussreichster Jazz-Saxophonist. In Curtis und Teepe hat er ideale Partner. Gegenseitig spielt man sich hier die Bälle zu. Wenn Enders die Melodie dramatisch verdichtet, lässt Curtis die Bass Drum grollen. Teepe kommentiert lakonisch auf dem Bass.

Auch mal nachdenklich, aber nie vergrübelt

Das Café ist dafür geeignet, befindet auch Enders. Die Akustik sei gut. Einziges Manko des Orts ist der offene Service-Bereich. Jedes "Für welchen Tisch ist die Lasagne?" ist vernehmbar, was durch ein konzises "Pscht" des Zwei-Meter-Mannes Enders allerdings schon zu Beginn des Konzerts einigermaßen eingehegt wird. Umso faszinierter ist dann Enders eigener Komposition "There Will Always Be Another Mystery" zu lauschen, die einige seiner besten Eigenschaften illustriert: intellektuelle Strahlkraft, verbunden mit zugänglichem Humor und Sinn für musikalische Schönheit. Indem er die beiden Klassiker "There Will Never Be Another You" (Harry Warren) und Thelonious Monks "Misterioso" zusammenspannt, entsteht rasanter, witziger Jazz, bei dessen Klangwirbeln das Publikum seinem Abendessen die Aufmerksamkeit für eine gewisse Zeit versagt.

Nach der Ballade "Passaggio Silenzioso", in der das Trio die melancholische Seite des Modern Jazz zeigt - nachdenklich, aber dank des spontan expressiven Zugriffs nie vergrübelt - macht "Sir Oliver" den heiteren Schlusspunkt. Dabei klangschön auch in den wildesten Improvisationsteilen, immer auf Kontakt zu den Zuhörenden bedacht. "Super!" schallt es da durch den Raum, kaum dass die letzte Note der Enders-Komposition verklungen ist. Mit Horace Silvers "Peace" verabschiedet sich "Instant Karma" und macht, so lässt sich der großzügige Applaus deuten, Lust auf mehr Jazz an diesem Ort.

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"Es fühlt sich an, als ob das gut laufen wird", urteilt auch Johannes Enders selbst. "Da bringe ich gerne immer wieder illustre Gestalten mit." Ein positives Resümee also: Gute Akustik, ein immer aufmerksameres Publikum und musikalisch geniale Freunde, mit denen man auf höchstem Niveau spielen kann. Das nächste Konzert steht daher schon fest. Am Freitag, 9. Februar, kommen Renato Chicco (Klavier) und Jorge Rossy (Schlagzeug) ins Rathaus-Café. Auch an diesem Konzert wird mit allem zu rechnen sein. Nur Langeweile ist ausgeschlossen.

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