Protest gegen Corona-Maßnahmen:"Ihr seid so tolle Wesen"

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Unermüdlich: Schon im Februar zog Josef Hingerl vor der Loisachhalle gegen Corona-Maßnahmen und Impfungen ins Feld. Seitdem hört man ihn jeden Montag, derzeit an der Alten Floßlände. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nur noch 520 Leute finden sich am Montag in Wolfratshausen zu einer unangemeldeten Demonstration zusammen. Teilnehmende sprechen sich gegenseitig Mut zu: "Wir sind die Mehrheit!"

Von Christa Gebhardt und Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

Die Corona-Auflagen werden gelockert, auf den Intensivstationen liegen weniger Covid-19-Patienten und auch die Anzahl der Demonstrierenden gegen die staatlichen Maßnahmen geht kontinuierlich zurück. Zogen in Wolfratshausen vor wenigen Wochen noch 950 Leute im stummen Protestmarsch durch die Innenstadt, sind es an diesem Montagabend nur noch etwa halb so viele. 520 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird Christina Loy, Einsatzleiterin der Polizeiinspektion Wolfratshausen, am nächsten Tag melden. Alles sei "friedlich wie immer" verlaufen, sagt sie, "ganz unproblematisch".

Polizei ist am Montagabend kaum sichtbar präsent. Während sich der unangemeldete Protestzug dem Sebastiani-Steg nähert, übt auf dem Parkplatz vor der Loisachhalle der Eglinger Immobilienunternehmer Manuel Tessun noch ein paar Takte des Begrüßungslieds auf der Gitarre: "Die Gedanken sind frei", ein altes deutsches Volkslied gegen politische Unterdrückung, das auch in enger Verbindung mit Sophie Scholl und der Weißen Rose steht. Manuel Tessun sieht sich in seinen Grundrechten eingeschränkt, er könne ungeimpft nicht ins Wirtshaus mit Freunden, nicht mit den Kindern ins Schwimmbad, und feiern dürfe man auch nicht.

Was ihn besonders ärgert, ist das Thema Kinder und Corona. Da werde man "krätzig", sagt er. Deshalb sei er dem Josef Hingerl auch so dankbar für die Gründung seines Vereins "Kinderrechte jetzt!". Der Wolfratshauser Rechtsanwalt hat für diesen Abend wieder eine Kundgebung angemeldet. In seiner Rede gibt er den Friedensfürst: Niemand von ihnen hier spalte die Gesellschaft; gelassen und tolerant gegenüber anderen Meinungen seien die Versammelten. Dann erteilt er das Wort einer jungen Frau namens Yvonne. Die hat sich ein Herz genommen, beschwört Liebe, Kraft, Hingabe und Mut, "da weiter durchzugehen". Bewegt ruft sie den Versammelten zu: "Ihr seid so tolle Wesen!" "Wir sind die Mehrheit", davon ist sie überzeugt und erntet "Bravo-Bravo"-Rufe.

Es ist viel von Liebe die Rede, auch bei einem weiteren Gastredner, einem Herrn aus Beuerberg, der ein Gedicht vorträgt, das davon handelt, dass er niemands Feind sei, da er ja nur atme. Da sei kein Platz für ein Diktat. Auch Manuel Tessun und andere treten ans Mikro: Weg mit den Masken bei Kindern, Tests weg, die Alten sollen wieder besucht werden dürfen. Von einem aggressiven Jogger ist die die Rede, der gerufen habe: "Lasst euch impfen!" Ja, die Propaganda wirke. Hingerl ergreift nochmals das Wort und bedauert, dass "die Medien am Boden liegen" und die Presse ihn, die Demonstrierenden und "diese tolle Stimmung" ignoriere.

Die Mitteilung, dass die Queen jetzt auch positiv auf Corona getestet sei, produziert Gelächter. Dann gibt es einen Aufruf zu den nächsten Demos in München und in Wolfratshausen. "Wollt ihr alle kommen?", schreit Hingerl in die Runde. "Jaaa!", schallt es zurück. Und dann singt man zusammen "We shall overcome" , den Protestsong, den die schwarze Bürgerrechtsbewegung in Amerika, Joan Baez gegen den Vietnamkrieg oder auch die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika auf den Straßen gesungen hat.

Die Gruppe "WOR tolerant" lässt die Aktion unkommentiert. "Mit zwei Demonstrationen am 10. und 17. Januar und zwei Videoinstallationen am 28. Januar und am 7. Februar haben wir unsere Gesichter gezeigt, unsere Botschaften gesendet und die Grenzen des für uns Nachvollziehbaren und Ertragbaren gezogen", zitiert Peter Lobenstein aus einer Erklärung, die Ulrike Krischke, Wolfratshauser Stadträtin, im Namen der Gruppe "WOR tolerant" verfasst und auf Facebook veröffentlicht hat. Unterzeichnet haben sie zudem Konrad Huber, Andrea Beck, Gerald Bruschek sowie Ines und Peter Lobenstein. Bis auf Weiteres seien keine weiteren Aktionen geplant, bestätigt auch Krischke auf Anfrage. Sie habe den Eindruck, dass sie Kommunikationsbereitschaft bei Einzelnen wieder wachse. "Die Leute suchen das Gespräch." Ziel sei es nun, "zu einer demokratischen Diskussion zurückzukommen".

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