Reden wir über:"Die Menschen in Brody brauchen Frieden"

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Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner mit Spendenkartons im Lastwagen. (Foto: Privat / oh)

Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner hat Spenden für die Partnerstadt Brody an die ukrainisch-polnische Grenze gebracht.

Interview von Tobias Bug, Wolfratshausen/Brody

Seit knapp zwei Wochen herrscht in der Ukraine Krieg. Seitdem leben auch die Menschen in Wolfratshausens Partnerstadt Brody in Angst. Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) und drei Helfer sind am Sonntag mit zwei Lastwagen an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, um dem Bürgermeister Brodys und seinen Helfern Spenden aus Wolfratshausen zu übergeben. Heilinglechner meldet sich auf dem Rückweg telefonisch aus dem LKW und erzählt von seinen Erlebnissen.

SZ: Wo genau haben Sie die Spenden hingebracht und wer hat sich um den Weitertransport durch die Ukraine gekümmert?

Heilinglechner: Wir haben die Spenden an der polnisch-ukrainischen Grenze übergeben, circa 120 Kilometer entfernt von Brody. Übergeben haben wir an den Bürgermeister Anatolij Belej und weitere zehn Helfer, die mit Lieferwagen und kleinen Lkw gekommen sind, die Spenden umgeladen und sich dann auf den Rückweg nach Brody gemacht haben.

Was haben Sie an Spenden mitgebracht?

Die Leute haben bei der Spendenaktion am Samstag und Sonntag unwahrscheinlich viel gespendet, viel Kleidung, Schuhe, Medikamente, Matratzen, warme Betten. Die beiden Feuerwehren haben Gerät geliefert, also Schutzanzüge, Stiefel, Helme, Schläuche und technisches Gerät, eine Tragkraftspritze, die ausrangiert wurde, und einen Rüstsatz mit einer Hebelschere. Das ist alles mit diesen beiden Lastwagen mitgenommen und jetzt übergeben worden.

Sie sind als Bürgermeister selbst mitgefahren. Wie kam es dazu?

Ich wollte mir einfach vor Ort auch mal ein Bild machen, wie denn die tatsächlichen Zustände an der Grenze sind. Die sind fast schlimmer, als ich sie erwartet hatte. Vor der Grenze an der ukrainischen Seite sind Zelte aufgestellt. In gewissen Abständen werden dann immer wieder ukrainische Flüchtlinge, vor allem Frauen mit Kindern, über die Grenze gelassen und auf der polnischen Seite in Busse gesetzt. Die Busse verteilen die Menschen dann in Polen.

Sie sind in Kontakt mit dem Bürgermeister. Wie hat er die Situation in Brody geschildert?

Ich habe mit Bürgermeister Belej gesprochen. Die Situation in Brody ist sehr beklemmend und sehr bedrückend. Die Leute schlafen nach Möglichkeit im Keller, weil man einfach nicht weiß, ob es in der Nacht nicht doch zu einem Beschuss kommt, weil ja schon viele zivile Ziele beschossen wurden. Man ist sich dort einfach nicht mehr sicher und hat Angst um sein Leben. Das ist schon dramatisch, was da abgeht. Mir war es wichtig, das vor Ort zu sehen, erstens weil ich gern helfe und weil mir Brody auch am Herzen liegt. Ich war selber schon zweimal dort. Wir sind in sehr intensivem Austausch. Wenn die Partnerstadt so ein Leid erfährt, versuchen wir natürlich zu helfen.

Wurde Brody selbst schon beschossen?

In den ersten Tagen des Krieges wurde der Militärflughafen in Brody beschossen. Es gibt dort eine Helikopterbasis und die wurde gleich am Anfang zerstört. Ansonsten ist Brody noch nicht beschossen worden. Sie haben aber sehr große Angst, weil sie eine ehemalige Ölraffinerie haben am Ortsrand. Die ist zwar leergepumpt, trotzdem haben sie die Befürchtung, wenn da eine Rakete einschlägt, dass alles explodiert, weil noch Reste da sind.

Was brauchen die Menschen am dringendsten?

Was sie zurzeit am dringendsten brauchen, ist Frieden. Brody hat ja auch sehr viele inländische Flüchtlinge aufnehmen müssen, aus Charkiw und Kiew und Kommunen in der Ostukraine, die schon beschossen wurden. Es werden also Medikamente benötigt, aber eben auch Matratzen und warme Decken.

Wie kann man aus Wolfratshausen die Menschen in Brody unterstützen?

Wir werden immer Medikamente brauchen, auch Verbandssachen, Erste-Hilfe-Sets. Wenn jemand gute Stiefel hat, kann er sie gerne spenden. Ich habe mit Bürgermeister Belej vereinbart, sie sollen uns sagen, was sie noch brauchen, wir versuchen dann weitere Hilfe zu organisieren.

Mit wie vielen Geflüchteten aus der Ukraine rechnen Sie und wie werden sie hier versorgt?

Wie viele Flüchtlinge kommen ist noch nicht klar, weil sie wahrscheinlich wieder nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt werden. Wir haben aktuell 24 Wohnungen, die wir dem Landratsamt gemeldet haben. Nun werden uns Flüchtlinge zugeteilt. Stand heute sind ja 3,5 Millionen Ukrainer auf der Flucht.

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