Wie schafft man bezahlbaren Wohnraum?:"Wir brauchen weniger Absicherungsbürokratie"

Lesezeit: 3 min

Bürgermeister Michael Grasl. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bürgermeistersprecher Michael Grasl unterstützt die Forderungen des Bayerischen Gemeindetags zum Vorrang für Kommunen beim Wohnungsbau.

Von Felicitas Amler, Münsing

Finanzielle Bauanreize für Kommunen schaffen, Ballungsräume entzerren, Baustandards überdenken: Der Bayerische Gemeindetag hat am Donnerstag einen Katalog mit zehn Forderungen an die bayerische Staatsregierung vorgelegt. Die SZ sprach darüber mit Michael Grasl (FW), Bürgermeister der Gemeinde Münsing und Sprecher aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Landkreis.

SZ: Herr Grasl, der Gemeindetag fordert von der bayerischen Staatsregierung "finanzielle Anreize", damit Kommunen mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen können. Wie könnte das aussehen?

Michael Grasl: Der Gemeindetag fordert ja konkret, den Wohnungspakt Bayern fortzuführen und sprunghaft ansteigende Folgekosten für die Kommunen abzufedern. Das betrifft auch die Ansprüche und Standards, die in allen Bereichen angewachsen sind. Wir haben bei unserem Wohnungsbauprojekt trotz einiger Widerstände aus der Nachbarschaft viel profitiert. Von staatlichen Zuwendungen und einem zinslosen Darlehen. Wir haben die zwölf Wohnungen barrierefrei, hochwertig und mit Tiefgarage bauen können. Das hätten wir ohne staatliche Unterstützung nicht so leicht geschultert, und darum sollte diese Säule beibehalten werden. Mit Verdichtungen im Wohnungsbau ist aber auch ein Schritthalten der eigenen Infrastruktur verbunden. Das fängt bei der Kinderkrippe an und hört bei sozialen und kulturellen Angeboten für ältere Leute noch lange nicht auf. Hier brauchen die kleinen Gemeinden Unterstützung und weniger Absicherungsbürokratie in der Bauleitplanung und in den Genehmigungsverfahren.

Wie viele Wohnungen könnte zum Beispiel Münsing unter diesen Bedingungen bauen?

Münsing könnte jederzeit weitere Wohnungen bauen, wenn die Gemeinde dafür die Grundstücke zur Verfügung hätte. Allerdings verwalten wir schon 30 eigene Wohnungen und eine eigene große Nahwärmeversorgung. Das muss ja auch von Fachleuten im Rathaus geplant, bearbeitet und unterhalten werden. Mittelfristig werden wir auch weiteren neuen Wohnraum schaffen, weil diese rentierlichen Mieteinnahmen wichtig sind, um den Haushalt zu finanzieren. Wir können nicht nur Immobilien bauen, die nicht kostendeckend sind. Aber das Projekt H 25 ( Wohnungsbau in der Hauptstraße 25, Anm. d. Red.) hat uns schon vor den Krisen gezeigt, dass Baukosten, Baunebenkosten und Gebäudestandards extrem hoch sind. Hinzu kommt die Vergabebürokratie der öffentlichen Hand.

In der Erklärung des Gemeindetags heißt es, das Leben auf dem Land soll attraktiver gemacht werden, um Ballungsräume zu entzerren. Ist das Leben im Speckgürtel rund um München noch nicht attraktiv genug?

Ich denke, damit sind auch strukturschwache Gebiete gemeint, die es aufzuwerten gilt, bevor junge Leute mangels Arbeit und Wohnraum abwandern. Man kann da Regionen in Franken nicht mit dem Speckgürtel südlich von München vergleichen. Bei uns haben wir andere Probleme. Nämlich die Bezahlbarkeit von Grund und Wohnung für Normalverdiener. Unsere Lage und Wohnqualität zieht viele solvente Käufer an, sorgt aber auch insbesondere in den letzten zehn Jahren für Preisexplosionen. Unsere Aufgabe muss sein, bezahlbaren Wohnraum zu fördern, Leerstand umwandeln zu helfen, auch in ehemaligen Landwirtschaften. Auch sollten wir uns von zu großen Wohnflächen verabschieden. Wir leben immer noch auf großem Fuß, und viele Leute leben alleine oder zu zweit in ihren Häusern. Das ist eine gesellschaftliche und nicht nur kommunale Herausforderung. Das Wohnprojekt am Labbach (beim Pallaufhof, Anm.d.Red.) war aus meiner Sicht eine der Antworten darauf. Mietwohnungen müssen sich auch die hier benötigte Erzieherin oder der Gemeindearbeiter leisten können.

Es wird in dem Papier auf die Folgekosten des Wohnungsbaus für die Infrastruktur hingewiesen. Hier setzen verschiedene Kommunen wie Bad Tölz oder Geretsried bereits das Instrument der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) ein. Das heißt, Investoren, die von Bauland profitieren, werden an Folgekosten beteiligt. Wäre es nicht hilfreich, wenn dies alle Gemeinden täten?

Dieses Instrument setzen inzwischen auch kleinere Gemeinden wie Eurasburg ein. Es ist richtig, an solchen Modellen wird man künftig nicht vorbeikommen. Allerdings ist das juristisch anspruchsvoll, weil die Beteiligung angemessen und exakt nachvollziehbar sein muss, wenn sie nicht vor Gericht landen soll. Hier muss also ein Zusammenhang zwischen den Folgekosten/Auswirkungen eines konkreten Projektes und den damit verbundenen Leistungen eines Planungsbegünstigten bestehen. Machbar scheint mir das nur bei Schaffung von größeren Baugebieten, die eindeutig Folgekosten auslösen.

Welche der zehn Forderungen halten Sie außerdem für besonders wichtig?

Ich komme immer wieder seit Antritt meines Amtes zurück auf eine Verschlankung und Vereinfachung der Verfahren. Oft versprochen, aber bisher kaum wahrgemacht. Es ist ein Leichtes, die Gemeinden in Bebauungsplanverfahren zu drängen und großzügig auf die kommunale Planungshoheit zu verweisen. Begibt sich eine kleinere Gemeinde in diesen Hürdenlauf, kommen endlose Bedenken und Hemmnisse oft durch Fachbehörden, die sich mit ihren Textbausteinen absichern, statt uns Lösungen aufzuzeigen. Ohne eigene Gutachter oder Juristen sieht man in diesen Verfahren über Jahre kein Ende. Hinzu kommt leider die Skepsis und Streitlust mancher Bürger, die ein Projekt eben nicht vor ihrem Garten sehen wollen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: