Tutzinger Hütte:Wer früh aufsteht, kriegt alles gebacken

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Ein Ratsch beim Gipfelbier hat vor 14 Jahren das Leben des gelernten Konditors Hans Mayr verändert. Heute ist er Hüttenwirt - und hat einen Traum für das Leben danach.

Isabel Meixner

Oft sind es Zufälle, die ein Leben verändern. Bei Hans Mayr war es ein Gipfelbier. Als er sich vor 14 Jahren auf der Benediktenwand von seiner Bergtour erholte, traf er auf eine Wandergruppe, kam mit ihr nett ins Gespräch - und wurde unvermittelt gefragt, ob er nicht die Tutzinger Hütte am Fuß des Berges bewirten möchte, für die zu diesem Zeitpunkt ein neuer Pächter gesucht wurde. Damals lachte Mayr noch, stieg ins Tal hinab und ein paar Tage später auf den nächsten Gipfel. Und wieder wurde ihm vorgeschlagen, Wirt der Tutzinger Hütte zu werden. "Ich habe das nie geplant gehabt", sagt der 42-Jährige. "Ich hatte eine gute Arbeit als Bäcker- und Konditormeister. Aber wenn man innerhalb von zehn Tagen zwei Mal gefragt wird, überlegt man sich das."

Hans Mayr bewirtschaftet die Tutzinger Hütte gemeinsam mit seiner Freundin Elke Hofmann. (Foto: N/A)

Er entschied sich für die Berge. Unter 42 Anwärtern erhielt er den Zuschlag. Seither lebt er von Ostern bis November auf der Tutzinger Hütte und noch einmal zwei Wochen im Dezember - fernab von Freunden und Vereinsleben. Doch das alles geht dem Kocheler nicht ab: "Das hat mich selbst gewundert, weil ich sehr stark in die Vereine eingebunden war. Aber hier sind genug Leute." Der Kontakt mit Wanderern war für ihn ein Grund, Hüttenwirt zu werden. Er geht gerne auf Menschen zu, setzt sich zu ihnen an den Tisch und tauscht sich über Bergtouren aus.

Und das für seine Aufgabe nötige Handwerkszeug brachte er sich schnell bei. Etwas Kochen hatte er bei seiner Konditormeisterprüfung gelernt, und bei ihm nicht vertrauten Sachen und Rezepten tat er das, was ihm auch bei seiner Entscheidung für die Tutzinger Hütte geholfen hat: "Einfach hintrauen und machen. Und wenn's nicht passt, dann macht man's halt nicht mehr." Hans Mayr ist froh, dass er den Schritt zur eigenen Hütte gewagt hat: "Ich habe keinen Moment gezweifelt, dass das das Richtige für mich ist."

Auch wenn das Hüttenwirt-Dasein vor allem in der Hauptsaison alles andere als stressfrei ist. 91 Übernachtungsgäste kommen in der Hütte unter, die sich so malerisch an die steile Karstfelsen der Benediktenwand anschmiegt. Dazu kommen an sonnigen Tagen 100 bis 150 Tagesgäste. Am vergangenen Sonntag etwa, rechnet Mayr vor, bereiteten er und sein Team allein 90 Portionen Kaiserschmarrn zu. Wie das organisatorisch funktioniert? "Es muss alles vorbereitet sein", sagt der Hüttenwirt.

Spätestens um sechs Uhr morgens steht er deshalb in der Küche, richtet das Frühstück für die Übernachtungsgäste her, backt Kuchen und bereitet die Zutaten für das Mittagessen vor. Kocht zum Beispiel Knödel vor oder macht den Teig für den Kaiserschmarrn. Die anderen im Team räumen in der Zwischenzeit die Schlaflager und die Räume auf. "In der Früh muss das alles erledigt sein, sonst haben wir den ganzen Tag Probleme", sagt Hans Mayr.

90 Portionen Kaiserschmarrn am Tag: Hüttenwirt Hans Mayr und Lebensgefährtin Elke Hofmann in der Küche. (Foto: N/A)

Kehren bei schönem Wetter viele Wanderer ein, muss alles im Akkord funktionieren. "Ich schrei' dann nur noch: Kasspatzn! Speckknödel! Kaiserschmarrn! in die Küche", sagt Elke Hofmann, Mayrs Lebensgefährtin. Jeder der fünf Mitarbeiter hat seinen Platz: drei an den sechs Stellen am Gasherd in der Küche, zwei hinter der Schenke. Wer gerade Zeit hat, spült ab. Denn eine Spülmaschine gibt es nicht. Zumindest keine, die Strom verbraucht. "Unsere Spülmaschine kann kochen und reden", sagt Hans Mayr und stupst seine Freundin Elke mit einem breiten Grinsen an. Er hat sie vor vier Jahren kennengelernt, seither hilft sie ihm bei der Hüttenbewirtschaftung.

Unterstützung erfährt er auch von seinen Eltern: Sie kümmern sich um den Einkauf und fahren sie über die Forststraße bis hin zur Materialseilbahn. "Meine Eltern sind sehr unkompliziert", sagt Mayr. "Wenn mir ein organisatorischer Lapsus passiert und wir zum Beispiel zu wenig Milch haben, rufe ich meine Mutter an und sie fährt noch einmal los." Und auch die Tatsache, dass er ein Einheimischer ist, hilft ihm: "Die Geschäftsleute unterstützen uns und stellen schon einmal sonntags die Ware vor die Ladentür."

Ins Tal kommt er kaum. Seine Freundin fährt in der Regel einmal in der Woche nach unten zum Wäschewaschen, denn auch eine Waschmaschine gibt es in der Tutzinger Hütte nicht: zu wenig Strom. Aus demselben Grund gibt es in dem Gebäude auch keine Mikrowelle, keinen Fernseher oder Fön. Da staunt der eine oder andere Übernachtungsgast schon mal. "Wir sind eine Anfängerhütte", sagt Mayr. Manche Gäste wüssten nicht, dass sie Handtücher selber mitbringen müssen. Und die Sache mit dem Fön? Mayr sieht das relativ: "Der verbraucht 1200 Watt - das ist mehr als die ganze Küche."

Häufig seien solche Gäste im Nachhinein zufrieden - dann, wenn sie auf anderen Schutzhütten sehen, dass nicht alles selbstverständlich ist, was die Tutzinger Hütte an Komfort bietet. Warmes Wasser zum Beispiel, eine Toilette mit Spülung, Strom. Den produziert die Tutzinger Hütte mit einem Blockheizkraftwerk, das im Keller steht. Die Abwärme wird zum Erhitzen des Wassers verwendet. Fotovoltaikanlagen auf dem Dach laden die Batterien auf, die den überschüssigen Strom speichern. Das Wasser stammt aus den zwei nahegelegenen Tiefbrunnen und den zwei Hochbehältern und wird im Haus gefiltert sowie UV-bestrahlt. Wassermangel gebe es im Gegensatz zu anderen Hütten glücklicherweise nicht, sagt Hans Mayr. Die Duschen können die Besucher kostenlos benutzen.

Der 42-Jährige möchte noch länger Hüttenwirt bleiben. Bis zur Rente, wenn es nach ihm geht. Für die Zeit danach hat er mit seiner Freundin bereits einen genauen Plan: Sie wollen gemeinsam zu Fuß von Venedig nach Hause wandern. Nach Hause in die Tutzinger Hütte, an der der Fernwanderweg in die italienische Stadt vorbeiführt.

© SZ vom 31.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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