Bekannt aus Film und Fernsehen:Auf der Suche nach Drehorten

Lesezeit: 4 min

Das Pfarrbüro und der Vater der Hauptfigur waren in der ZDF-Serie "Tonio und Julia" im mehr als 400 Jahre alten Gasthof Zantl in Bad Tölz untergebracht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bauernhöfe, Gasthäuser, Kirchen, Villen: Motiv-Aufnahmeleiter Andreas Wanner sucht im gesamten Alpenvorland nach Film-Schauplätzen und wählt sie zusammen mit Regisseuren aus. In seine Heimatstadt Bad Tölz hat er die ZDF-Serie "Tonio und Julia" gebracht.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Über manche Begebenheit, die er auf der Suche nach Motiven für Filme und TV-Serien erlebt hat, kann Andreas Wanner immer noch lachen. Einmal musste er einen Familienvater anrufen, der sein Haus für Dreharbeiten zur Verfügung gestellt hatte. Das Anwesen war auch schon auserkoren, der Regisseur überlegte es sich jedoch in letzter Minute anders. Wanner griff zum Telefon und entschuldigte sich bei dem Mann, es tue ihm leid, aber die Aufnahmen kämen nun doch nicht zustande. Die Antwort: In zwei Tagen möge er bitte noch einmal anrufen. Wanner fragte ein wenig verdutzt nach dem Grund. "Meine Frau putzt gerade das ganze Haus", erklärte der Familienvater. "Das hat sie noch nie gemacht."

Ein Motivfinder für Filme und TV-Serien ist der gebürtige Wolfratshauser Andreas Wanner, der seit mehr als 20 Jahren in Bad Tölz lebt. Inzwischen arbeitet er mit seiner Firma "Bavaricus" als Motiv-Aufnahmeleiter. (Foto: Manfred Neubauer)

Häuser, Bauernhöfe, Almhütten, Kirchen, Schlösser, Landschaften: Als sogenannter "Location Scout" hat der gebürtige Wolfratshauser, der seit mehr als 20 Jahren in Bad Tölz lebt, schon viele Motive für Filme und TV-Serien gefunden. Früher hatte er als Sparkassen-Fachwirt gearbeitet, ehe er schwer an Krebs erkrankte. Danach sattelte Wanner um und besann sich seiner Herkunft: Als Sprössling einer Schauspielerfamilie stieg er ins Filmgeschäft ein, mochte aber nicht vor der Kamera stehen. Inzwischen ist er mit seiner Firma "Bavaricus" als Motiv-Aufnahmeleiter tätig, einem Beruf, zu dem es noch kaum einen Ausbildungsweg gibt. Er berät Regisseure und Kameraleute, sieht sich mit ihnen diverse Motive für einen Film an, wählt Schauplätze im Ausschlussverfahren aus und erklärt zum Beispiel, dass ein Bauernhof bei Salzburg zwar vielleicht ideal sein möge, aber für zwei Tage Dreharbeiten zu weit entfernt sei, wenn alles andere in Bad Tölz stattfinde. "Oder ein Bahnhof sieht zwar wunderschön aus, aber wenn ich ihn am Vormittag brauche und die Sonne steht verkehrt, kann nicht ihn nicht nehmen." Wanner erklärt, was möglich und was nicht möglich ist, kümmert sich auch um logistische Fragen wie Strom- und Wasserversorgung, um Verkehrsabsperrungen, um Budgetfragen.

Nach Bad Tölz brachte er vor mehr als vier Jahren die ZDF-Serie "Tonio und Julia", die in zehn Folgen bis Oktober 2020 lief. "Ja, die habe ich geholt", sagt er. Darin geht es um einen katholischen Pfarrer und um eine Familientherapeutin, dargestellt von Maximilian Grill und Oona Devi Liebich. Gedreht wurde vorwiegend im Altstadtteil Gries, an der Mühlfeldkirche und im Gasthaus Zantl nebenan, das Produktionsbüro befand sich in der Prinz-Heinrich-Kaserne in Lenggries. Anfangs, sagt der 1959 geborene Wanner, sollte die Serie nahe Miesbach spielen, "aber ich war natürlich auf Bad Tölz fixiert". Der Ortscharakter in den ersten TV-Folgen sollte eher dörflich sein, wofür die Kurstadt zu groß erschien. Aber die habe einen großen Vorteil, sagt Wanner: "Tölz kann man in verschiedenen Größen spielen, man kann dort wunderbar klein spielen." Zum Beispiel im Gries mit seinen alten Handwerkerhäusern, die sich eng aneinander schmiegen. Gestört habe dort nur die Wand der Knabenschule mit dem Friseurgeschäft darunter, die sehe hässlich aus. Aber kein Motiv sei ideal, sagt Wanner. Und außerdem müsse man sich ja auch auf den Kameramann verlassen.

Der pittoreske Altstadtteil Gries in Bad Tölz, der gerade umgestaltet wird, diente schon häufiger als Filmkulisse - auch für die ZDF-Serie "Tonio und Julia". (Foto: Harry Wolfsbauer)

Mit der ZDF-Serie stieß er in Tölz anfangs nicht gerade auf Gegenliebe. Das lag am "Bullen von Tölz", der bekannten Krimi-Reihe mit Ottfried Fischer und Ruth Drexel, die knapp ein Jahrzehnt zuvor nach 69 Folgen abgedreht worden war. "Der Bulle", sagt Wanner, "war ein wahnsinniger Nachteil für mich." Das Filmteam damals habe wohl gemeint, ihm gehöre Bad Tölz. Die Marktstraße sei ein paar Mal großräumig abgesperrt worden ("das ist dann nicht mehr so schön"), drei oder vier Parkplätze habe man beispielsweise wegen der Aufnahmen blockiert, dann aber doch in Benediktbeuern gedreht. Und so fort. Und nun eine neue Fernsehserie? "Schon wieder so ein Sch ... film", bekam Wanner zu hören. Also ging er zum damaligen Bürgermeister Josef Janker. Der habe ihn zum Frühstück getroffen und ihn gebeten, er möge doch mal alles zusammenschreiben und ins Ordnungsamt schicken. "Nachmittags hatte ich die Genehmigung", erzählt Wanner. Eine billigere Werbung als eine solche Serie bekomme Tölz nicht, habe Janker gesagt. Der Parkplatz am Isarkai, Nachtaufnahmen im künstlichen Regen mit der Feuerwehr, Sondergenehmigungen für die Marktstraße - alles sei unkompliziert gelaufen, so Wanner. Nach drei, vier Folgen habe sich auch die Stimmung in der Stadt verändert. "Da haben sich die Leute gefreut, weil wir auch anders gearbeitet haben."

Der inzwischen geschlossene, mehr als 400 Jahre alte Gasthof Zantl ist bei "Tonio und Julia" zum Teil das Pfarrbüro, zum Teil die Wohnung vom Vater des Pfarrers. Manche Szenen wurden im Gries gedreht. Am Jungmayrplatz sei das Haus Nummer 11 mit dem jetzt leeren Schaufenster der "Gemüseladen Kümmerer" gewesen, erzählt Ulla Schneiders. Als Tölzer Stadtversucherin führt sie mehrmals im Jahr Touristengruppen zu diversen Drehorten im Stadtgebiet - unter dem Motto "Auf Filmspuren durch Bad Tölz". Wanner zufolge schaut sich die eine Hälfte des Fernsehpublikums die Handlung, die andere die Landschaften an. Und Tölz, sagt er, sei nun mal "eine der schönsten Städte". Mit seinen alten Giebelhäusern im Ensemble, dem Gries, der Isar, dem Blick auf die Berge. Für ihn als Motiv-Aufnahmeleiter ist es außerdem wichtig, dass die Kommune, die als Drehort in Frage kommt, einen Filmbeauftragten hat: "Jemanden, der sich um alles kümmert, der weiß, wo man wie was hingeben kann." Bad Tölz hat Pressesprecherin Ina Farlock von der Tourist-Information, die diese Aufgabe übernimmt.

In seinem Job ist Wanner vorwiegend am Fuß der Alpen unterwegs, von Ostbayern bis hinüber ins Allgäu, wo er gerade für die TV-Serie "Daheim in den Bergen" tätig ist. Er ist einer, der hier die Leute kennt, die Landschaften auch. Das wissen die Produzenten, die Regisseure. Zwischendurch arbeitet er aber auch noch in Berlin, wo er dann schon mal per Ebay nach einer bald leerstehenden Wohnung als möglichem Schauplatz sucht. "Man muss erfindungsreich sein", sagt er. Oder in München, wo die Halle eines Zeitungverlags für die Serie "Katakomben" in eine U-Bahn-Unterwelt verwandelt wurde. Aber dann geht es doch wieder zurück in die Heimat. Den Seibold-Hof in Wackersberg ließ er 2011 für den Film "Ellis neuer Mann" mit Jutta Speidel von einem schmucken Anwesen zu einem alten Gehöft verlumpen. "Wir haben die Läden runter gemacht, Patina aufgetragen, den Hausgang grün gestrichen."

Mit resoluten, ja brachialen Eingriffen müssen Hausbesitzer schon rechnen, die ihr Zuhause einer Filmcrew überlassen. Tapezieren, neue Anstriche, sogar das Durchbrechen einer Wand - all dies kommt vor, wird allerdings vorher mit dem Hausherrn besprochen. Und die Entschädigung ist durchaus ansehnlich, auch wenn es laut Wanner nicht ganz stimmt, dass im Schnitt eine Monatsmiete pro Tag bezahlt werde. "Es ist weniger." Und manchmal kommen die Umgestaltungen bei den Besitzern sogar an. Über das neue Grün in ihrem Hausgang habe die Eigentümerin des Seibold-Hofs erst gesagt: "Um Himmels willen, was für eine Farbe", erzählt Wanner. "Aber nach drei Tagen wollte sie es so lassen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: