Konzertkritik:50 Buben, sieben Bachs

Lesezeit: 3 min

Bach hoch sieben: Der Tölzer Knabenchor unter der Chorleitung von Marco Barbon in der Basilika des Klosters Benediktbeuern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Tölzer Knabenchor singt in der Basilika des Klosters Benediktbeuern Motetten von Vertretern der berühmten musikalischen Großfamilie.

Von Hans Hoche, Benediktbeuern

Sonntag Nachmittag. Aus allen Richtungen, vorbei am Friedhof, durch einen Torbogen hinein in den großen Hof der barocken Anlage des altehrwürdigen Klosters Benediktbeuern und zielstrebig weiter zum Portal der Kirche begeben sich Menschen erwartungsvoll für ein ganz besonderes Konzerterlebnis: Der Tölzer Knabenchor singt in der Basilika Werke der Familie Bach. Es ist eine Musikveranstaltung des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) im Kloster Benediktbeuern. Kristallklare Knabenstimmen in lichtdurchfluteter Klosterstimmung, das ist nicht alltäglich und dürfte vielen Konzertbesuchern das Gefühl geben, gleich etwas Außergewöhnliches zu erleben.

Man legt alles Weltliche ab, tritt ein in das angenehm kühle Kirchenschiff, sucht sich seinen Platz, blättert im Programmheft, tauscht sich flüsternd noch mit jemandem aus und wartet auf die kleinen, großartigen Sänger. Ein bisschen wie das Warten auf die Bescherung an Weihnachten.

Gesanglich auf höchstem Niveau

Dann kommen sie flotten Schrittes durchs ganze Kirchenschiff, die knapp 50 Sängerknaben und Herren in ihrer klassischen Konzertkleidung. Das Publikum wendet sich ihnen zu und applaudiert. Das sind sie nun also, die berühmten Tölzer. Wer sie kennt, bewundert ihre beispiellose musikalische Bandbreite. Von Renaissancemusik bis Rap, von alpenländischen Volksweisen bis zu den großen Opernbühnen. Man hört sie in Paris, Berlin oder Peking in den Knabenrollen in Mozarts Zauberflöte. Bald soll es sogar "Boarisch Beatboxen" auf das Lied "I mog ned Kiah hiatn" geben - als Weltpremiere zu hören (und zu sehen) im September auf dem Tag der offenen Tür, zu dem der Tölzer Knabenchor Interessierte nach Unterföhring einlädt.

Ob weltlich oder klerikal, ob tiefernst oder schalknackig, immer präsentieren sie es gesanglich auf höchstem Niveau. Dazu zählt auch Bach. Wir werden es gleich erleben. Auch wie viele Mitglieder der Bach'schen Großfamilie ganz wunderbare Musik geschrieben haben. Unter der Chorleitung von Maestro Marco Barbon und begleitet an der Violone von Günther Holzhausen und an der Orgel von Clemens Haudum stehen zwei Motetten von Johann Sebastian Bach und acht weitere Motetten von sechs anderen Bach-Familienmitgliedern auf dem Programm.

Atemberaubendes Hallelujah

Gleich zu Beginn erschallt aus jungen Kehlen jubelnd, kraftvoll, freudig mehr als 50 Mal das Wort "Singet" in Johann Sebastian Bachs Motette "Singet dem Herrn ein neues Lied" BWV 225. Die mehrfachen Wiederholungen dieses Wortes, die energischen Rhythmen und der Einsatz der beiden Chöre unabhängig voneinander bewirken, dass der Gesang zum Lob des Herrn in der ganzen Basilika widerhallt. Nach dem zweiten Teil, einem besinnlicheren Ruhepunkt "Wie sich ein Vat'r erbarmet ... Gott nimmt dich ferner unser an", kommen die beiden Chöre schließlich zu einer mächtigen vierstimmigen Fuge zusammen "alles, was Odem hat, lobe den Herrn". Nur gut, dass die Sängerknaben noch genug Odem übrig haben für das atemberaubende Halleluja am Ende. So überzeugend gesungen, löst dieses Glanzstück unter den Bachmotetten alle Erdenschwere auf.

Am Chorbogen über dem Hochaltar befindet sich an gut sichtbarer Stelle eine große Uhr. Sie hat den spirituellen Zweck, uns an die Flüchtigkeit allen Seins zu erinnern. Genau dieses Thema greift der Knabenchor in einer weiteren Motette auf: "Ich weiß wohl, dass unser Leben oft nur als ein Schatten ist", und dem langsam aber stetig weiter vorrückenden Minutenzeiger folgt konsequent der atmosphärisch dichte Choral "Ach, wie flüchtig, ach, wie nichtig ist der Menschen Leben". Ein faszinierendes Werk von überwältigender Tonsprache von Johann Bach, für neunstimmige Besetzung, bestehend aus zwei Chören zu je sechs und drei Stimmen. Eindringlich schön singen sie es, diese Sängerknaben, und voller Ernsthaftigkeit, aber für solche Vergänglichkeitsempfindungen sind sie sicher noch zu jung.

Musikalisches Familienfest mit Übervater

Dieser besungenen Flüchtigkeit und Nichtigkeit der Menschen Leben setzt Johann Ludwig Bach die Freude entgegen in seiner zweichörigen Motette "Das ist meine Freude". Der Text besteht aus nur fünf Zeilen, aber wahre Freude braucht ja nicht viele Worte. Von außergewöhnlicher Sparsamkeit ist auch Johann Christoph Bachs Motette "Ich lasse dich nicht." In das Ruf- und Antwortspiel der beiden Chöre werfen die Sopransänger ihr glockenhelles "Mein Jesu" ein, mal als Verzierung, mal als Ausruf.

Schließlich endet standesgemäß dieses musikalische Familienfest der Bachs wieder mit dem Übervater Johann Sebastian und seiner vergleichsweise kurzen Motette "Lobet den Herrn", BWV 230. Diese vierstimmige Motette ist ein Lobgesang auf Gott nach dem Text von Psalm 117, bestehend aus einer lebhaften Fuge mit einem Freudenmotiv für die ersten beiden Zeilen, einem Motiv der Ruhe für die nächsten beiden Zeilen und einer Rückkehr zum Freudenmotiv im abschließenden Alleluja. Das singen die Buben so jugendlich frisch und doch so nuanciert, dass man geneigt ist auszurufen: "Lobet den Tölzer Knabenchor"! Die Sängerknaben werden mit langem Applaus belohnt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAlte Nutztierrassen
:Leben im Museum

Im Freilichtmuseum Glentleiten besichtigen Besucher nicht nur historische Gebäude. Zwischen Ställen, Höfen und Mühlen gackern, grunzen und muhen die Bewohner der Ausstellung. Oder spielen mit Wasser.

Von Alexandra Vecchiato und Harry Wolfsbauer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: