Führung am 11. September:Bedürfnis nach dem echten Alten

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Gertrud und Thomas Lauer vor ihrem Wohnhaus, das 1731 erbaut wurde. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Kreisheimatpfleger Thomas Lauer und seine Frau Gertrud zeigen Interessierten ihr saniertes Bauernhaus am Tag des offenen Denkmals.

Von Alexandra Vecchiato, Gaißach

Wer in einem Denkmal wohnt, wohnt mit der Geschichte. Dass es sich in einem denkmalgeschützten Haus dennoch in zeitgemäßem Komfort leben lässt, möchte Thomas Lauer Interessierten näherbringen. Der Kreisheimatpfleger öffnet am Sonntag, 11. September, sein Isarwinkler Bauernhaus aus dem Jahr 1731 in Obersteinbach. Bald 300 Jahre steht das Haus da - nicht zuletzt, weil die Menschen früher Materialien zum Bauen verwendet haben, die die Zeit überdauern. Der Nutzungshorizont von Häusern war nicht auf 30,40 Jahre ausgerichtet, wie es heutzutage oft der Fall ist. Für diese nachhaltige Architektur kann sich Thomas Lauer begeistern. "Es geht aber auch um Atmosphäre und Authentizität", betont er.

Der Apfelbaum vor dem Haus trägt üppig. "Aber klein sind sie in diesem Jahr", sagt Gertrud Lauer. Mache nichts, meint Ehemann Thomas. Er werde sie zum Mosten bringen. Zahlreiche Buchsbäume stehen im Garten. Mehrere Sitzplätze laden zum Verweilen ein. Ein alter steinerner Wassertrog steht auf der Terrasse. Allein der Außenbereich ist schon Labsal für Augen und Seele. Aber da ist ja noch das Haus, ein ehemaliger Doppelhof. 13 Generationen hat es kommen und gehen sehen. 1974 haben Lauers Eltern das alte Bauernhaus gekauft. Warum sich sein Vater, Hermann Lauer, ein sanierungsbedürftiges Denkmal aufgehalst hat, ist für Thomas Lauer ganz klar: Sein Vater war begeistert. Dass die Sanierung Arbeit bedeute, sei dem Architekten klar gewesen. "Aber dafür gab es Qualität und Atmosphäre." Wobei der junge Thomas Lauer, Jahrgang 1953, zunächst gar nicht begeistert war, als es 1975 an den Umbau ging, der mit dem Umzug nach Gaißach verbunden war. Er habe als 22-Jähriger nur den Aufwand gesehen. Obendrein seien all seine Freunde in München zurückgeblieben. "Meinen Vater haben's für verrückt gehalten, weil er das alte Glump gekauft hat."

Der Garten ist die Domäne von Lauers Ehefrau Gertrud. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Doch Lauers Einstellung änderte sich. Er wurde sozusagen ein "Sammler in Sachen gebauter Heimat", wie es in einem Beitrag des Bayerischen Fernsehens aus dem Jahr 2014 heißt. Er studierte Architektur an der TU München. Von 1986 bis 2016 war er Bauberater beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege. In dieser Tätigkeit reiste er Tausende Kilometer durch den Freistaat, um auf den sogenannten Häuserfahrten Bauwillige zur Seite zu stehen. In diesen 30 Jahren hat er vieles gesehen. "Das Denken, was Denkmalschutz angeht, hat sich gewandelt", ist er sich sicher. Viele Menschen sähen in ihm keine Gängelei mehr, sondern eine Chance. Denn das Bedürfnis der Menschen nach dem Echten, dem Alten wachse, was wiederum dazu führe, dass alte Gebäude liebevoll restauriert würden. Dazu beigetragen habe sicherlich auch Dieter Wieland mit seinen "Topographien", die im BR liefen.

Um solch ein Positivbeispiel der Öffentlichkeit zu zeigen, öffnen er und seine Frau Gertrud nun das eigene Bauernhaus. In der Denkmalliste des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen ist es als Isarwinkler Bauernhaus mit Flachsatteldach beschrieben. Das Obergeschoss ist in Blockbauweise aus Holz ausgeführt, das Erdgeschoss in Bruchstein. Das Haus hat eine umlaufende Laube und ein verschaltes Vordach. Drei Geschosse haben die Lauers für sich behalten, der Bereich der ehemaligen Tenne ist ebenfalls ausgebaut und wurde verkauft. Doppelhöfe seien für die Region untypisch, erzählt Lauer. Auf dem Nachbargrundstück stand auch mal einer. "Warum das so ist, weiß ich nicht", erzählt Lauer, der seit einem Jahr ehrenamtlich als Kreisheimatpfleger unterwegs ist.

Der originale Kachelofen ist heute noch einsatzfähig. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Doppelhöfe waren oft die Übergangsform zu Weilern und sind durch Teilung entstanden. Üblicherweise waren die Wohnbereiche bei Bauernhäusern nach Osten orientiert - der Wetterseite abgewandt, während in den Stall länger die Sonne scheint und das Heu in der Tenne gut durchlüftet wird. Weil es sich in Obersteinbach aber eben um einen Doppelhof handelt, ist der Wohnbereich des Ehepaars Lauer nach Westen orientiert. "Den Bauern früher war die Abendsonne egal, wir profitieren nun davon."

Skandinavisches Design trifft auf Isarwinkler Bauernhaus - eine harmonische Verbindung. Die Holzdecken sind original. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Innenbereich sind die alten Holzdecken erhalten, die gar nicht mal so tief sind. Allerdings bei den Türen müssen größere Menschen den Kopf einziehen. Mit großer Sorgsamkeit wurde der Aus- und Umbau vorgenommen. Die alte Einteilung in Küche, Stube und Schlafbereich im Erdgeschoss ist aufgehoben, wenngleich noch erkennbar. Skandinavische Möbel- und Design-Klassiker bilden eine ansprechende Ergänzung zum Isarwinkler Baustil. "Es muss nicht alles jodeln", sagt Lauer mit Blick auf die PH-5-Pendelleuchten von Louis Poulsen über dem Esstisch. Über drei Stockwerke erstreckt sich der Wohnbereich - einen fantastischen Blick auf die Berge inklusive. Vor zwei Jahren habe der Balkon repariert werden müssen, sagt Lauer. Zum Glück habe er einen Nachbarn, der die Schreinerarbeiten nach alter Manier ausführen konnte. Natürlich sei das Wohnen in einem Denkmal auch eine Herausforderung. Heizen sei bislang mit Öl-Zentralheizung und Kachelofen kein Problem gewesen. Aber nun bei den steigenden Preisen müsse man über eine Alternative nachdenken. "Es findet sich eine Lösung", meint Lauer.

Tag des offenen Denkmals, 11. September: Isarwinkler Bauernhaus, Obersteinbach 4, 83647 Gaißach; Thomas Lauer führt von 14 bis 17 Uhr durch sein Haus. Das gesamte Programm findet sich unter www.tag-des-offenen-denkmals.de

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