Streit um Relikte:Strafanzeige gegen Archäologen

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Bei Ausgrabung auf dem Gelände am Kloster Schlehdorf haben Mitarbeiter der Firma X-Cavate Reste des Urklosters aus dem achten Jahrhundert, Knochen von Mönchen, Münzen und ein Siegel des Abts gefunden. (Foto: Manfred Neubauer)

Weil die in Schlehdorf beauftragte Ausgrabungsfirma die Funde aus dem Urkloster bislang nicht überstellt hat, will sie der Zweckverband des Pflegeheims verklagen. Dem wiederum wirft das Unternehmen mangelnde Zahlungsmoral vor.

Von Petra Schneider, Schlehdorf

Die Ausgrabungsstätten unterhalb des Klosters Schlehdorf auf dem Areal des neuen Pflegeheims sind längst geschlossen. 2012 hatte das Landesamt für Denkmalpflege Boden-Radaruntersuchungen vorgenommen und festgestellt, dass sich auf dem Gelände ein "archäologisches Hoffnungsfeld" befindet. Die Hoffnungen erfüllten sich: Das Archäologenteam legte Überreste des Urklosters frei, das ersten urkundlichen Erwähnungen zufolge im Jahr 763 gegründet wurde. Knochen wurden gefunden, mutmaßlich von elf Mönchen, die einst am Kloster bestattet worden waren. Auch das Siegel eines Abts namens Konradus, etliche Münzen und Relikte aus dem frühen Mittelalter.

Sechs Jahre ist das nun her. Auf einen abschließenden Bericht über die Ausgrabungsarbeiten wartet der Schlehdorfer Bürgermeister Stefan Jocher allerdings bis heute, ebenso auf eine Herausgabe der Fundstücke und menschlichen Überreste. Jocher ist Vorsitzender des Zweckverbands der Gemeinden Schlehdorf und Großweil, die das 2019 eröffnete Seniorenheim gebaut haben, auf dessen Grund sich die Ausgrabungsstelle befand. In seiner jüngsten Sitzung hat sich der Zweckverband nun dazu entschlossen, Strafanzeige gegen das Ausgrabungsunternehmen X-Cavate Archaeology mit Sitz in Geretsried zu stellen.

Inzwischen steht auf dem Areal das neue Wohn- und Pflegeheim für Senioren. (Foto: Manfred Neubauer)

"Da wir von der Ausgrabungsfirma immer wieder vertröstet werden, hat die Zwecksverbandsversammlung beschlossen, Anzeige wegen Unterschlagung öffentlichen Eigentums zu stellen", erklärt Jocher. Die Fundstücke und die Knochen befänden sich immer noch bei dem Unternehmen in Geretsried. Das sei nicht rechtens, denn Fundstücke gehörten dem Eigentümer, in diesem Fall also dem Zweckverband. Dieser habe die Ausgrabungskosten übernommen und 350 000 Euro an die Geretsrieder Firma überwiesen. Das Landesamt für Denkmalpflege, das die Strafanzeige unterstütze, wolle Untersuchungen vornehmen, etwa eine genaue Altersbestimmung der Knochen. Außerdem soll ein Teil der Fundstücke in einer Vitrine im Pflegeheim ausgestellt werden, erklärt Jocher. Derzeit verfasse er einen Bericht, den er "demnächst" an die Polizei leiten werde.

Ursula Scharafin-Hölzl, Archäologin bei X-Cavate, ärgert sich über die seit Monaten von Bürgermeister Jocher erhobenen Vorwürfe. Die reinen Ausgrabungskosten habe der Zweckverband bezahlt, bestätigt sie. Nicht allerdings die Nacharbeiten, mit denen sechs Mitarbeiter monatelang beschäftigt gewesen seien. Der Zweckverband habe nach Abschluss der Grabungen mitgeteilt, dass keine weiteren Kosten übernommen würden - obwohl dies im Kostenvoranschlag genau aufgeführt worden sei. "Aber dann hieß es plötzlich, wir zahlen nichts mehr", sagt Scharafin-Hölzl. Die Arbeiten seien daraufhin eingestellt worden.

Bei den Ausgrabungen wurden elf Mönchsgräber entdeckt. Weil von den Funden noch nichts übergeben wurde, will der Zweckverband der Gemeinden Schlehdorf und Großweil nun Strafanzeige gegen das Geretsrieder Unternehmen stellen. (Foto: Privat/oh)

Vier Monate später habe man sich auf eine Pauschale geeinigt, die allerdings deutlich geringer sei, "als das, was wir eigentlich kriegen sollten". X-Cavate sehe sich deshalb nicht mehr verpflichtet, das Schlehdorfer Projekt sonderlich voranzutreiben. Die Dokumentation der Funde sei aufwendig, das Landesamt für Denkmalpflege gebe einen ganzen Katalog von Fragen und Kriterien vor. "Das können schon mal 150 Seiten Bericht werden", sagt Scharafin-Hölzl. Zumal bei einem Projekt wie in Schlehdorf: Die Ausgrabungen hätten Reste eines der ältesten Klöster in Bayern zutage gefördert, "aus der Frühzeit der Bajuwaren". Um die Nachbearbeitungen zügig abschließen zu können, habe man immer wieder andere Anfragen abgelehnt. So etwa Arbeiten an der Mariengrotte bei der Burgruine Falkenstein im Allgäu. "Das wäre ein Auftrag über mehrere Jahre gewesen." Und hätte die Kosten für die fünf festangestellten Mitarbeiter und die Fachstudenten, die in den Semesterferien angestellt würden, längerfristig sichergestellt. Um die geringere Pauschale für die Nacharbeiten in Schlehdorf auszugleichen, würden nun auch andere Projekte bearbeitet oder vorgezogen.

"Mit einer Vitrine vom Schreiner ist es nicht getan"

Ein weiterer Grund für die Verzögerung ist laut Scharafin-Hölzl, dass die beiden Teilhaber 2018 aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Ihr Mann Mario Hölzl sei seitdem alleiniger Geschäftsführer. Es bedürfe noch juristischer Klärungen, wie mit gemeinsam begonnen Projekten verfahren werde; auch das koste Zeit. Zudem habe die Pandemie die Arbeit am Bericht verzögert, weil Mitarbeiter im Homeoffice nicht auf die speziellen Analyse-Programme zurückgreifen konnten. Was das Landesamt für Denkmalpflege betreffe: "Die Behörde kann die Funde jederzeit abholen", sagt Scharafin-Hölzl. Die Toten würden fachgerecht in Euronormboxen gelagert, auch die übrigen Fundstücke würden bei X-Cavate vorschriftsmäßig verwahrt. Man habe bereits auf eigene Rechnung eine Radiokohlenstoffdatierung der Knochen vornehmen lassen und dafür 6000 Euro investiert. "Die Daten liegen dem Landesamt für Denkmalpflege vor", sagt die Archäologin.

Spätestens in zwei Monaten sei der Abschlussberichts fertig, 90 Seiten stünden bereits. Dann werde eine Schlussrechnung gemäß der Vereinbarung mit dem Zweckverband gestellt und die Fundstücke an das Landesamt für Denkmalpflege überstellt. Dass die Gemeinde Schlehdorf plant, Exponate im Pflegeheim auszustellen, begrüßt Scharafin-Hölzl. Dem Zweckverband müsse aber bewusst sein, dass dafür wieder Kosten anfielen. Eine fachgerechte Lagerung und Stabilisierung der Fundstücke sei nötig, die bei extrem geringer Luftfeuchtigkeit aufbewahrt werden müssten. Mindestens 10 000 Euro werde das kosten. "Mit einer Vitrine vom Schreiner ist es nicht getan."

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