Rücksichtsloser Biker:Beinahe den Kopf abgefahren

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Der Kesselberg ist bei Motorradfahrern beliebt. Drei von ihnen sollen sich dort am Freitag ein Rennen geliefert haben. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein 21-jähriger Student aus Gilching rast mit dem Motorrad am Kesselberg auf der Gegenspur hinab. In einer Kurve kracht er beinahe in das Auto eines Polizisten. Der Gilchinger wird zu einer Geldstrafe verurteilt.

Von Benjamin Engel, Kochel am See

Das ihm entgegenrasende auffällig-blaue Motorrad, die eigene Vollbremsung und das Warten auf den Einschlag: Rund neun Monate nach dem nur knapp vermiedenen Zusammenstoß, erinnert sich der 57-jährige Polizist - er ist in der Kontrollgruppe Motorrad aktiv - noch an jedes Detail. Wie er am Kesselberg auf eine scharfe Kurve zusteuerte, auf seiner Spur der 21-jährige Motorradfahrer aus Gilching plötzlich entgegenkam. Die Maschine in extremer Schräglage, das Knie fast am Boden. Die Szene hat sich dem Polizisten eingebrannt. "Ich habe bis zum Stillstand abgebremst", schildert er. "Wäre ich ein, zwei Meter näher dran gewesen, hätte ich ihm den Kopf abgefahren."

So drastisch berichtet der Polizist im Sitzungssaal von seinem Schockmoment am Kesselberg von Ende Mai 2017. Am Montag wurde der geständige Motorradfahrer vor dem Amtsgericht Wolfratshausen zu einer Geldstrafe von 1050 Euro verurteilt - wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes.

Auf seine Spur hatte die Behörden erst sein auffällig-blaues Motorrad gebracht. Dem Polizisten war er vor neun Monaten zunächst spurlos davongefahren. Am Rückweg von Wallgau zwei Stunden später fuhr der Beamte den Kesselberg Richtung Kochel am See hinab - und stieß erneut auf den bergauf fahrenden Studenten mit der blauen Maschine. Der 57-Jährige wendete. Dem jungen Mann fuhr er nach eigenen Angaben mit Tempo 120 hinterher, bis dieser auf der Passhöhe bei Urfeld anhielt. Bei der anschließenden Kontrolle lief die an der Maschine befestigte, währenddessen sichergestellte Kamera weiter.

Die Nähe zur Großstadt München machen vor allem das Sudelfeld und den serpentinenreichen Kesselberg für Motorradfahrer attraktiv. Viele von ihnen sind vor allem an schönen Sommernachmittagen und Sommerabenden unterwegs. "Nach Feierabend zwei, drei Stunden kesseln", so heißt es salopp in der Szene, wie sich Roman Gold, Leiter der Kontrollgruppe Motorrad auf Nachfrage ausdrückt. In 30 bis 45 Minuten seien die Motorradfahrer am Berg, führen ein paar Mal rauf und runter und wieder nach Hause.

Um gegen die sogenannten "High Risk Biker" mit waghalsigem Fahrstil vorzugehen, wurde 2015 die Kontrollgruppe Motorrad im Polizeipräsidium Oberbayern Süd gegründet. Das 12-köpfige Team ist für neun Landkreise und die Stadt Rosenheim im südlichen Oberbayern zuständig. Dessen Arbeit mit Informationsveranstaltungen und Kontrollen wertet Gold als Erfolg. Starben vor drei Jahren noch 25 Motorradfahrer bei Unfällen im Präsidiumsbereich, sank die Zahl der Toten 2016 auf 15 Personen. Im Vorjahr kamen 16 Motorradfahrer um. Nach unten ging es auch bei den Verletzten auf nur 1090 Personen - ein Rückgang um 3,8 Prozent von 2016 im Vergleich zu 2017.

Wie Roman Gold sagt, sei die Entwicklung positiv, gerade weil immer mehr Motorräder in Deutschland zugelassen seien. 4,3 Millionen seien es Anfang 2017 gewesen, rund acht Prozent mehr als vor sieben Jahren. Überhöhte Geschwindigkeit und Fehler beim Überholen seien die Hauptunfallursachen.

Am Kesselberg gab es laut Statistik 2011 den bisher letzten toten Motorradfahrer. Um Raser zu bremsen, wurden Rüttelstreifen auf der sechs Kilometer langen Strecke eingebaut. Es gilt Tempo 60 und Überholverbot. Unterhalb der Glaskurve wurden Fahrbahnteiler installiert. Trotzdem pendelt die Zahl der Unfälle mit Motorradfahrern seit 2011 um die 20 pro Jahr. 2013 gab es einen Ausreißer mit 30 Unfällen. Nach Präsidiumspressesprecher Jürgen Thalmeier seien Vergleiche aber schwierig. Je nach Wetter seien in der Saison mehr oder weniger Motorradfahrer unterwegs.

Im Sitzungssaal gibt der Angeklagte am Montag dem Polizisten die Hand und entschuldigt sich. Für Amtsrichter Helmut Berger hat der Student mit seiner riskanten Fahrweise vor allem auch mit dem eigenen Leben gespielt. "Es hing nur vom Zufall ab, dass nichts passiert ist", sagt er. Der Führerschein bleibt weitere fünf Monate eingezogen.

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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