Klosterkirche Reutberg:Von Schwämmen, Sternen und Sorgen

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Das Deckengewölbe der Klosterkirche Reutberg zeigt sich nach der Reinigung zum Teil in frischen Farben, die Gemälde kommen erst noch an die Reihe. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Innensanierung der Wallfahrtskirche Mariä Verkündigung soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Allerdings stellt sich die Frage, ob das Hauptgemälde nur gereinigt oder retuschiert werden soll. Der Arbeit eines Kunstmalers brächte ein besseres Ergebnis, aber auch Mehrkosten von bis zu 200 000 Euro.

Von Klaus Schieder, Sachsenkam

Die Klosterkirche Reutberg ist innen ein dichter Wald aus Gerüststangen und Metalltreppen. Ein großes Kreuz steht in Plastik verpackt da, ansonsten ist in dem Gewirr kaum zu erkennen, dass es sich um ein Gotteshaus handelt. Das ändert sich erst auf der obersten Plattform. Das Deckengewölbe leuchtet frisch in vorwiegend gelben Farbtönen, an der Seite wurde ein schmutziges Rechteck übrig gelassen. "Das schwarze Loch", sagt Architekt Hermann Thurner. Das Relikt demonstriert, wie dunkel das Gewölbe vor der Restaurierung einmal aussah, die im April vorigen Jahres begann und nun in vollem Gange ist.

Dabei wurde nichts nachgemalt, nur gereinigt. Das gehe flott, sagt Thurner: "Erst mit Staubsauger und Pinsel, dann mit dem Schwamm." Einem normalen Haushaltsschwamm aus dem Supermarkt. "Einmal drübergehen, dann ist der Schwamm, der weiß war, ganz schwarz", sagt Hans-Jürgen Dennemarck, Projektleiter der Kirchenrenovierung. Schwarz von all dem Ruß der Kerzen, schwarz aber auch von der alten Heizung.

Hermann Thurner ist der zuständige Architekt für die Kirchenrenovierung. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Renovierung der beliebten Klosterkirche Mariä Verkündigung auf dem Reutberg ist ein Langzeitprojekt. Seit 2012 liefen Untersuchungen zu den teils gravierenden Schäden am Kirchturm, am Dachstuhl und im Innenraum. 2024 wurden alle Sanierungsmaßnahmen zusammengefasst. 2017 und 2018 gab es weitere Gutachten. 2021 wurde der Kirchturm außen instandgesetzt, 2022 der Turm dann auch innen und der Dachstuhl der Kirche. 2023 folgte die Haustechnik. Erneuert wurden die Elektroinstallation und die Heizung, die nun mit Hackschnitzeln aus der klostereigenen Forstwirtschaft betrieben wird. Auf der Empore haben die Ordensschwestern der Terzianerinnen der Franziskaner fortan eine Fußbodenheizung, für den Hauptraum gibt es eine Bauteiltemperierung. Dadurch herrschten immer so acht bis zehn Grad, sagt Thurner.

Ein angenehmes Arbeitsklima für die Decken- und Wandrestauratoren, die Holzrestauratoren, die Gemälderestauratoren, die Elektriker, Installateure, Steinmetze und anderen Handwerker. Thurner nimmt einen imaginären Schwamm zur Hand und führt vor, dass man sich die Reinigung nicht ganz so flott vorstellen darf, sondern langsam, behutsam, den Stucklinien folgend. "Das ist ein sehr diffiziles Arbeiten", sagt er. Mater Salvatoris, Mater Creatoris, Regina Angelorum, Regina Pacis - die Anrufungen aus der Lauretanischen Litanei sind nun wieder gut zu lesen, jedenfalls wenn man auf der obersten Plattform steht und sich ein wenig bückt.

Anrufungen aus der Lauretanischen Litanei bilden einen Teil der Deckenmalereien. (Foto: Manfred Neubauer)

63 Jahre ist es her, dass die Wallfahrtskirche auf dem Reutberg zum letzten Mal renoviert wurde. Restaurator Alban Wolf und die Schwestern, die ihm halfen, hatten es alles andere als leicht. 1882 waren die Wand- und Deckengemälde "überfasst" worden, wie Thurner sagt. Anders ausgedrückt: Sie wurden einfach mit Ölfarbe übermalt. 1961 legte man zwar die alte Schicht frei, wobei die Malereien allerdings - auch mangels moderner Technik - teils massiv beschädigt wurden. "Je nachdem, wie stark eine Farbe drauf war, musste man stärker rangehen, deshalb blieb auch nicht alles erhalten", sagt Dennemarck.

Hans-Jürgen Dennemarck, ehemaliger Baureferent der Erzdiözese München und Freising, ist Projektleiter der Kirchenrenovierung. (Foto: Robert Haas)

Im Moment stehen Schwester Benedicta Tschugg, Apostolische Kommissarin des Klosters, Dennemarck und Thurner vor einer heiklen Entscheidung. Es geht um das große Gemälde über der Empore, das die "Übertragung des Heiligen Hauses" zeigt - also der Loretokapelle, dem Herzstück der Klosterkirche. Das könnte ebenfalls einfach gereinigt werden. Das Ergebnis wäre durchaus in Ordnung, sagt Thurner. "Es wäre nur ein bisschen stumpfer, matter." Nicht so brillant, sagt Dennemarck.

Reinigung oder Retusche? Das ist die Frage beim Hauptgemälde über der Empore, das die Übertragung der Loretokapelle darstellt. (Foto: Manfred Neubauer)

Die andere Variante: Das Gemälde wird von einem Kirchenmaler überarbeitet. Diese Retusche würde das Bild erstrahlen lassen, allerdings wäre dies mit hohem Arbeitsaufwand und erheblich mehr Kosten verbunden. Eine Vorgehensweise, die das Landesamt für Denkmalpflege mittrüge, wie Thurner sagt. Über eine solche Neufassung wäre dort vor einigen Jahren noch "keine Diskussion möglich" gewesen, nach einem Generationswechsel in dem Amt gebe es jetzt andere Meinungen.

Die Entscheidung über die Sanierungsmaßnahmen trifft der Konvent um Schwester Benedicta, Apostolische Kommissarin des Klosters. (Foto: Manfred Neubauer)

Den Ordensschwestern, die über die Sanierungsmaßnahmen entscheiden, würde die zweite Variante gefallen. Schwester Benedicta wäre bereit, dafür auch den Termin der Wiedereröffnung zu verschieben - die Kirche soll Ende des Jahres wieder genutzt, im Sommer 2025 mit einem Fest offiziell eröffnet werden. Sorge bereitet ihr jedoch der finanzielle Aspekt: Die Retusche würde, grob geschätzt, noch einmal 150 000 bis 200 000 Euro kosten. Eine Summe, die erst aufgetrieben werden muss. Eine dritte Möglichkeit wäre die Restaurierung des Gemäldes mit einem Laser. Dies soll demnächst ausprobiert werden, wobei sich Thurner, Dennemarck und die Schwestern eher skeptisch zeigen, nicht zuletzt wegen der unklaren Langzeitfolgen einer solchen Behandlung.

Ein funkelnder Sternenhimmel in Smalte-Blau

Auf dem Reutberg errichteten einst die Hofmarksherrin Anna von Pienzenau und ihr Mann Graf Jacob Papafaba nach der Rückkehr von einer Wallfahrt nach Italien die erste Loretokapelle in Bayern. Sie wurde 1606 eingeweiht, die Wallfahrtskirche erst später um sie herum errichtet. Die Kapelle ist der Chor des Gotteshauses, wo Kirchenmaler Ewald Schmauß aus Inzell bei den Restaurierungsarbeiten eine interessante Entdeckung machte. Auf dem Gesims, wo die jetzt ausgelagerten Puttenfiguren auf Holzstiften saßen, fand er alte Farbtropfen. Wie sich zeigte, war der Sternenhimmel der Kapelle vormals in einem Smalte-Blau gemalt, das mit gemahlenem Glas versetzt war.

Bei der Renovierung vor 63 Jahren wurde die Hälfte der Sterne in der Loretokapelle entfernt. Die Kapelle ist der älteste Teil der Kirche und dient als Chor. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Effekt: Das Firmament glitzerte und funkelte. "Es gibt eine starke Tendenz, dass man diese Farbe wieder hernimmt", sagt Thurner. Auch die Zahl der Sterne soll erhöht werden. Bei der Renovierung 1961 wurden alle Gipssterne abgeschlagen, nur die Holzsterne übrig gelassen. Und die Wände unter dem Himmel sollen wieder wie ein Ziegelbau gemalt sein, so wie in allen Loretokapellen - lediglich auf dem Reutberg sahen sie wie eine Steinmauer aus. "Die Ziegelsichtigkeit ist ein Symbol für ein Loreto-Haus", sagt Dennemarck, ehemals Baureferent des Erzbistums München und Freising.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz stellt 165 000 Euro Fördermittel für die Restaurierung auf dem Reutberg bereit. Axel Hofstadt, Leiter des Ortskuratoriums München der Stiftung, übergab eine Bronze-Plakette an Schwester Benedicta. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Renovierung der Klosterkirche kostet rund drei Millionen Euro. Gut ein Drittel davon trägt die Erzdiözese, außerdem flossen Bundesmittel aus zwei Sonderprogrammen. Weitere Geldgeber sind die Bayerische Landesstiftung, der Bezirk Oberbayern, die Meitinger-Stiftung, die Messerschmitt-Stiftung, die Gemeinde Sachsenkam, Privatleute und nicht zuletzt der Förderverein der Freunde des Klosters Reutberg. Ein Bild von der Restaurierung machte sich auch Axel Hofstadt von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die 165 000 Euro bereitstellte und dafür nun eine Bronze-Plakette überbrachte.

"Es muss ja ein einheitliches, stimmiges Gesamtbild entstehen."

Die Gesamtkosten sind mit all diesen Zuschüssen und Spenden fast abgedeckt. Noch mehr Geld aufzutreiben, um das Gemälde über der Empore erstrahlen zu lassen, dürfte kompliziert werden. Die Fördermittel sind oftmals gedeckelt. "Nachfinanzierungen sind schwierig, das muss in letzter Konsequenz vom Kloster getragen werden", sagt Thurner. Für Schwester Benedicta steht fest: "Eine hochwertige Behandlung würde das Gemälde ganz neu inszenieren." Und die gesamte Raumschale müsste dann noch etwas angepasst werden, ergänzt Thurner: "Es muss ja ein einheitliches, stimmiges Gesamtbild entstehen."

Wer die Kirchenrenovierung finanziell unterstützen möchte, kann an das Kloster Reutberg spenden, Konto DE86 7509 0300 0802 1413 37.

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