Radfahren in Bad Tölz:Ohne Schutzstreifen durchs Stadtzentrum

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Einen Schutzstreifen für Fahrradfahrer in der Nockhergasse hat der Tölzer Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung mit knapp elf zu neun Stimmen abgelehnt. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Stadtrat lehnt mit knapper Mehrheit eine Markierung und eine Tunnelpassage in der Nockhergasse ab, weil Stellplätze und Ladezonen für den Einzelhandel wegfielen. Für Radler gibt es damit weiterhin keinen direkten Weg von Ost nach West.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Radfahrer haben es in Bad Tölz schwer, ohne Umwege von Ost nach West durch das Stadtzentrum zu kommen. In der Marktstraße ist das Radeln tagsüber verboten, im Schulgraben befindet sich am Ende des Weges eine steile Treppe. Bleibt noch die Nockhergasse. Auf der schmalen Einbahnstraße wird es jedoch weiterhin keinen Schutzstreifen geben, ebenso wenig eine Tunnelpassage an der Engstelle am Irlbeck-Haus. Der Tölzer Stadtrat hat diese Lösung in seiner jüngsten Sitzung mit einer knappen Mehrheit von elf zu neun Stimmen abgelehnt. "Wir müssen akzeptieren, dass wir nicht für alles eine befriedigende Lösung haben", sagte Bürgermeister Ingo Mehner (CSU).

Bei einem Schutzstreifen, der entgegen der Fahrtrichtung eingezeichnet wird, würden insgesamt 17 Parkplätze und zwei Lkw-Ladezonen wegfallen. Die seien für die Einzelhändler in der Innenstadt jedoch sehr wichtig, sagte Bauamtsleiter Christian Fürstberger. Am Irlbeck-Haus könnte eine etwa zwei Meter hohe Passage für die Radler entstehen. Nach dem Umbau, der erst einmal mit dem Eigentümer besprochen werden müsste, entstünde aber keine lichtdurchflutete Arkade, sondern ein dunkler Gang, so Fürstberger. Wegen der fehlenden Sicht seien die Ausfahrt aus der Passage zudem "bedenklich, wenn nicht sogar gefährlich". Die Gesamtkosten bezifferte der Bauamtsleiter auf rund 500 000 Euro, wovon knapp 160 000 Euro auf die Passage entfielen.

Eine andere Variante hatte Stadtrat Matthias Winter (CSU) vorgeschlagen: ein Schutzstreifen in Fahrtrichtung. Dafür fehle aber der Platz in der Nockhergasse, sagte Fürstberger und rechnete vor: Die Straße benötige wegen des Lastwagenverkehrs eine Mindestbreite von 3,5 Metern, der Schutzstreifen müsse bis zu 1,5, aber besser 1,75 Meter breit sein, die Parkplätze nähmen zwei Meter ein. Macht insgesamt sieben Meter. Diese Breite hat die Gasse nur auf 40 Meter Länge kurz vor der Rathausgasse. Der Schutzstreifen, so Fürstberger, müsste immer wieder unterbrochen werden, zum Beispiel an der Bushaltestelle.

Die Grünen setzten sich gleichwohl für einen Schutzstreifen ein. Stadträtin Johanna Pfund regte an, ein neues Verkehrsschild aufzustellen, das es Lkw- und Autofahrern verbietet, einspurige Fahrzeuge zu überholen, also auch Fahrräder. Zudem sollte ein Schutzstreifen doch farblich markiert werden, "das wäre ein guter optischer Hinweis", sagte sie. Und eine Passage durchs Irlbeck-Haus wäre ja auch für Fußgänger "ein riesiger Gewinn". Darüber hinaus plädierte sie für Tempo 30 in der Nockhergasse. Für Toni Kollmeier könnten auch Autofahrer über den Streifen fahren, "aber wenn sie einen Radfahrer sehen, müssen sie aufpassen". CSU-Stadtrat Winter betonte, dass es ihm mit seinem Vorschlag eines Streifens in Fahrtrichtung darum gehe, dem Radler den Rücken zu stärken - "damit er nicht bedrängt wird, nach rechts fahren muss und auf der Bordsteinkante ausrutscht". All dies sei rechtlich nicht so einfach, erwiderte Bürgermeister Mehner. "Es ist nicht so, dass ich grundsätzlich über einen Schutzstreifen fahren darf."

Auf die Regelung in der oberen Marktstraße zwischen dem Kaufhaus Rid und der Fußgängerzone verwies Richard Hoch (Grüne). Dort dürften die Radler entgegen der Fahrtrichtung unterwegs sein, "und es ist noch nie etwas passiert", sagte Hoch, Dies müsste mit Tempo 30 oder gar 20 auch in der Nockhergasse möglich sein. Immerhin erhalte Bad Tölz ja bald die Auszeichnung als "fahrradfreundliche Kommune". Die obere Marktstraße sei allerdings "deutlich breiter" als die Nockhergasse, entgegnete Bauamtsleiter Fürstberger. Die Stadt habe sich mit der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommune (AGFK) und dem ADAC beraten, sagt Mehner. Das Ergebnis: "Sie sehen hier auch keine einfache Lösung."

Die Sehnsucht nach einer Radachse von Ost nach West durch das Stadtzentrum sei zwar groß, meinte René Mühlberger (CSU). Aber was auf dem Tisch liege, sei im Endeffekt "keine tolle Lösung". Ohne die Stellplätze und die Ladezonen in der Nockhergasse hätten die Einzelhändler "ein großes logistisches Problem". Auch Peter von der Wippel (FWG) sprach sich strikt gegen den Wegfall der Parkflächen aus. Diese seien für den innenstadtnahen Handel "ohne Alternative", meinte er. Michael Ernst (SPD) äußerte sich ähnlich: "Ein Schutzstreifen, der nur über den Wegfall der Stellplätze und Ladezonen möglich ist, macht keinen Sinn." Die Einführung von Tempo 30, die auch von der Wippel unterstützte, hält Bürgermeister Mehner für unrealistisch. Regelmäßige Geschwindigkeitsmessungen in der Nockhergasse hätten ergeben, dass nur rund zehn Prozent der Autofahrer dort schneller als mit Tempo 35 unterwegs seien.

Für die Radfahrer bleibt damit alles wie gehabt. "Es gibt eben nicht überall die 1-a-Premium-Lösung", sagte Mehner. Für einen Schutzstreifen stimmten am Ende nur Hoch, Pfund, Kollmeier, Bärbel Weixner, Moritz Saumweber, Johannes Gundermann (alle Grüne), Ulrich Fottner (FWG) sowie Winter und Gabriele Frei (beide CSU).

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