Folgen des Klimawandels:Kampf um die Kiefer

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An manchen Stellen in der Pupplinger Au ist jede zweite Kiefer krank. (Foto: Hartmut Pöstges)

Immer mehr Bäume in der Pupplinger Au sterben ab, weil Borkenkäfer und Pilze sie befallen. Um den Auwald zu erhalten, bedarf es viel menschlicher Mühe.

Von Veronika Ellecosta, Wolfratshausen

Ein einsamer Specht hämmert in Höchstgeschwindigkeit auf einen Kiefernstamm ein, begleitet wird er von einigen zurückhaltenden Vogelstimmen. Ansonsten ist es still an diesem Märzmorgen in der Pupplinger Au, kein Auto fährt über die Straße Richtung Gasthaus Aumühle. Das große Krabbeln hinter der Rinde der Kiefern - auch Föhren genannt - ist, wonach der Specht sucht und was der Mensch nicht hören kann: Ein Schadinsekt mit dem zynischen Namen "Großer Waldgärtner" hat den Auwald befallen. Gäbe es nur wenige dieser Borkenkäferart in einem Gebiet, könnte sie der Specht einfach wegfuttern. Aber in der Pupplinger Au hat er dieses Rennen verloren, weil der Käferbestand bereits exponentiell wächst. Der Specht kann gar nicht so schnell fressen, wie sich der Große Waldgärtner in der Pupplinger Au derzeit vermehrt.

Das Ausmaß der Katastrophe wird erst in diesem Frühjahr so richtig sichtbar. 20 bis 30 Prozent der Kiefern sind 2022 innerhalb weniger Wochen abgestorben. In manchen Gegenden in der Pupplinger Au ist jede zweite Kiefer tot, sagt Revierförster Robert Nörr bei einem Kontrollgang. An so einer stark betroffenen Stelle bleibt er stehen und deutet in den lichten Wald hinein, wo auf dem Boden Rindenreste um einzelne Bäume herum verstreut liegen und sich weiter oben die braunen Äste neigen. An nackten Stellen an den Stämmen zeigt der Förster die charakteristischen Querrillen, es sind Fraßspuren des Großen Waldgärtners. Schlimmer als befürchtet schätzt Nörr die Lage ein.

Förster Robert Nörr zeigt die Schäden, die der Große Waldgärtner anrichtet. Der Specht holt den Käfer aus der Rinde. (Foto: Hartmut Pöstges)

Hagel, Hitze und Trockenheit haben den Wald geschwächt

Schon 2015 bemerkte Nörr, dass es den Föhren in dem Naturschutzgebiet schlecht geht. Damals gab es erste Prüfungen am Kanal von Wolfratshausen, die negative Entwicklungen feststellten, wie sie auch die Pupplinger Au erfassten. Eine einfache Erklärung für das Kiefernsterben gibt es nicht, vielmehr handelt es sich um eine Verkettung mehrerer Umstände. Starke Trockenheit und Hitze setzen die Bäume unter Stress - Wetterlagen, die sich mit dem Klimawandel häufen. Dass der Boden der Au aus Isarschotter und Lehmauflage nur wenig Wasser speichern kann, macht die Sache nicht besser. 2021 kam schließlich Hagelschlag dazu, dadurch platzte die dünne Rinde der Kiefer an vielen Stellen einfach auf. Man kann in der Pupplinger Au sehen, wie der Wald in Schneisen abgestorben ist, ganz so, wie der Hagel über ihn gekommen ist.

Durch Hagelkörner können die Rinden an den Kiefern aufplatzen und der Diplodia-Pilz kann in diese Wunden eindringen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Bei den Prüfungen 2015 hörte Förster Nörr zum ersten Mal vom Pilz in dieser Gegend. Der wärmeliebende Diplodia pinea breitet sich in den Trieben der Kiefern aus, vornehmlich dann, wenn sie durch Hagel, Insektenfraß oder Trockenstress vorgeschädigt sind. Nörr greift an einen Ast und zieht ihn herunter, um die typischen braunen Triebe und schwarzen Punkte auf den Nadeln zu zeigen, eindeutige Zeichen für das Diplodia-Triebsterben. "Von Weitem konnte man gar nicht sehen, dass diese Kiefer auch befallen ist", sagt der Förster, "ich glaube, sie ist nächstes Jahr tot." Hat der Pilz den geschwächten Baum so stark befallen, könne man nichts mehr machen, erklärt er.

Diplodia-Triebsterben macht sich durch braune Nadeln bemerkbar. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Bäume am Straßenrand, die nicht mehr zu retten sind, müssen die Waldbesitzer aus Sicherheitsgründen abholzen. Um die 50 Stück werden es zwischen Aumühle und Aujäger werden im Frühjahr oder Herbst sein. Übrig bleiben sollen Stümpfe von etwa vier Metern, daneben soll das Gehölz zu Reisighaufen gesammelt werden. "Das ist vielleicht nicht optisch schön, aber das Totholz ist eine bewusste Naturschutzmaßnahme", erklärt Nörr. Im Wald können die abgestorbenen Bäume liegen bleiben und als Totholz einen Lebensraum für Insekten, Pflanzen, Moose und kleine Säugetiere bilden. Auf einer Teilfläche des Isartalvereins will die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf zudem Forschungen zum Kiefern-Triebsterben anstellen.

Andere Baumarten sollen gepflanzt werden

Mit dem Kiefernsterben wird es damit aber nicht vorbei sein: Auch in den kommenden Jahren werden die Bäume dem Pilz und dem Käfer zum Opfer fallen. Auch deshalb, weil entkräftete Kiefern innerhalb kürzester Zeit sterben, neue aber erst innerhalb von Jahrzehnten nachwachsen. Deshalb muss der Wald gezielt verjüngt werden. Nörr sagt, dass man hier die Palette der Baumarten vergrößern will, um den Wald für die Klimawandel zu rüsten: trockenresistente Eiche, Mehlbeere, Kirsche, Spitzahorn.

Die Kiefer soll trotzdem die dominante Baumart in der Pupplinger Au bleiben, denn im artenreichen Schneeheide-Kiefernwald finden seltene Orchideen wie der Frauenschuh oder Amphibien wie die Gelbbauchunke eine Heimat. Die Pupplinger Au ist Schutzgebiet der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH). Aber ausgerechnet die Kiefer zu verjüngen, die für diesen Lebensraum so wichtig ist, erweist sich als herausfordernd. Seit die Isar gezähmt ist und den Auwald nicht mehr flutet, wächst hier nämlich dicker Grasfilz, den die Kiefersamen schwer durchstoßen können. Es wird also ein Kraftakt, den Schneeheide-Kiefernwald in der Pupplinger Au zu erhalten, sagt Nörr zu. Und ein Wettlauf gegen die Zeit.

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