Plastik-Fasten:Ganz ohne Kunststoff geht es nicht

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Zum Ende der Benediktbeurer Fasten-Aktion hat Isabella Hagen hat ein Boot aus Plastikmüll gebaut. (Foto: Manfred Neubauer)

Nach vier Wochen treffen sich die Teilnehmer wieder in Benediktbeuern. Die Bilanz: Weniger Plastik ist realistisch, gar kein Kunststoff unmöglich.

Von Ingrid Hügenell, Benediktbeuern

Manchmal, sagt Marion Fröhlich, könnte man schon resignieren. Denn das Planen und Suchen, das sei zuweilen schon sehr anstrengend. Die Familie aus Tutzing lebt schon länger mit so wenig Plastik wie möglich. An der Aktion "Plastikfasten" des Zentrums für Umwelt und Kultur (ZUK) in Benediktbeuern haben sie teilgenommen, um Neues zu erfahren und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Und auch wenn Marion Fröhlich manchmal den Eindruck hat, dass ihre Anstrengungen das riesige globale Plastikmüllproblem nur wenig beeinflussen, sagt sie doch: "Man darf nicht den Mut verlieren. Wenn ich was beitragen kann, dann tue ich es."

Vier Wochen lang haben die Teilnehmer der ersten derartigen Aktion des ZUK versucht, mit möglichst wenig Kunststoffverpackungen auszukommen. Mehr als 50 Personen haben am 13. Februar die Plastikfasten-Erklärung unterschrieben. Jetzt, zum Abschluss, sind noch fünf Familien und zwei "Einzelkämpferinnen" gekommen. Komplett auf Plastik verzichten konnte allerdings niemand. Alle Teilnehmer haben den Kunststoffmüll mitgebracht, der bei ihnen trotzdem angefallen ist. Bei den meisten ist es eine große Einkaufstüte. Bei Fröhlichs, die drei Kinder haben, merkt man die Erfahrung. Sie haben deutlich weniger: zwei Schälchen, in denen Salat und Pilze waren, einen Suppenbecher, ein paar Folien. Mit dem Müll soll nun gebastelt werden, und dann erzählen die Teilnehmer, worauf sie stolz sind und was sie ärgert.

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ZUK-Mitarbeiterin Doris Linke, Organisatorin der Aktion, hat selbst beim Plastikfasten mitgemacht. Sie ist unter anderem stolz darauf, dass sie nun nur noch Stoff- statt Papiertaschentücher verwendet. Fröhlichs hingegen kaufen nurmehr Klopapier, das in Papier eingepackt ist. "Ein Tipp, den wir von hier mitgenommen haben." Isabelle Hagen aus Bad Heilbrunn, die ihre Erfahrungen regelmäßig mit den SZ-Lesern geteilt hat, freut sich ihrerseits über die Entdeckung der Haarseife, Sohn Quirin darüber, dass seine Mama den Joghurt inzwischen selber macht. Geärgert hat sich Isabelle Hagen über den misslungenen Kaffeebohnen-Einkauf, bei dem die Verkäuferin eines Fachgeschäfts ihr die offenen Bohnen nicht wie gewünscht in ihre mitgebrachte Tüte füllen wollte. Nun erfährt sie endlich, wo es die Bohnen offen gibt: unter anderem in einem Biomarkt in Weilheim.

Alle, die zum Finale der Plastikfasten-Aktion gekommen sind, haben etwas erreicht. Allerdings sind auch alle Teilnehmer an Grenzen gestoßen. Denn wenn man keine Zeit hat, mehrere Läden oder einen Wochenmarkt aufzusuchen, wird die Vermeidung von Kunststoffabfall praktisch unmöglich. Das gilt auch wenn man regionale Produkte kaufen will, etwa von bestimmten Molkereien, oder wenn man Fertiggerichte möchte.

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Manches gibt es nur in Kunststoffverpackungen: Quark zum Beispiel hat niemand offen oder in einem Glasgefäß gefunden, auch Vollkorn- und Dinkelnudeln ohne Plastik sind schwer zu bekommen. Was alle ärgert: Gerade Bio-Obst und -Gemüse sind sehr häufig in Folie verschweißt. "Vegetarisch zu leben macht es nicht einfacher", seufzt Marion Fröhlich.

Gekommen ist auch Rosella Roth, die als Berufsschullehrerin in München Werkstoffkunde unterrichtet und in Benediktbeuern lebt. Sie befasst sich dabei intensiv mit der Entsorgungsproblematik von Kunststoff und ist über die Jahre mit ihren Schüler zu der Erkenntnis gelangt: "Es geht um Reduzierung - Vermeidung erscheint uns illusorisch."

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Isabelle Hagen hat in der 1. Klasse ihres Sohnes an der Bad Heilbrunner Grundschule zwei Stunden lang über das Plastikproblem gesprochen. Die Lehrerin habe sie gefragt, ob sie das in den anderen Klassen auch machen könne. "Klar kann ich das", sagt sie. Und auch Fröhlichs wollen die Plastikvermeidung in der Schule ihres Sohnes Julius vermitteln.

Einig sind sich alle, dass es für die Nachhaltigkeit wenig Sinn hat, weite Strecken zu fahren, um irgendetwas plastikfrei zu kaufen. Manche haben sich deshalb schon zu Einkaufsgemeinschaften zusammen getan. Der Austausch ist allen wichtig, auch das wird an diesem Nachmittag klar. Das ZUK überlegt nun, eine Plattform einzurichten, auf der man seine Erfahrungen austauschen kann. Auf jeden Fall soll die Aktion im kommenden Jahr wieder stattfinden.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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